Made in China

Die Regierung Chinas bemüht sich sehr, den Eindruck zu erwecken, dass die Kommunistische Partei nicht aus Tausenden Ich-AGs korrupter Kader besteht. Nun wurde einer ihrer wichtigsten Planer, Liu Tienan, wegen Verstößen gegen die Parteidisziplin aus der Organisation ausgeschlossen. Erst nach dem Parteiausschluss geht der Fall im Rechtsstaat chinesischer Prägung an die Staatsanwaltschaft. Liu, stellvertretender Direktor der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission, soll dem Leiter einer Investmentfirma geholfen haben, auf illegale Weise Kredite in Höhe von 200 Millionen US-Dollar zu beschaffen. Dadurch habe Liu sich selbst sowie Familienmitglieder bereichert. Wie bei fast allen Korruptionsfällen in China präsentieren Medien sowie Blogger eine filmreife Mischung aus sex and crime: Liu soll ein Vermögen von nahezu 130 Millionen US-Dollar, acht Geliebte, 25 Rohdiamanten und eine private Pornosammlung mit 330 Filmen besitzen, lauten die verbreiteten Gerüchte.
Der Fall kam ins Rollen, als ein angesehener Redakteur des Wirtschaftsmagazins Caijing in seinem Blog Enthüllungen über Lius Geschäfte veröffentlichte, gestützt auf Informationen von dessen ehemaliger Geliebter, der Liu daraufhin auch noch mit Mord gedroht haben soll. Zum ersten Mal führte eine nicht anonyme Veröffentlichung in einem Blog zum Sturz eines Kaders mit dem Rang eines stellvertretenden Ministers. Der Fall hat in China auch die Debatte neu entfacht, ob »sexuelle Korruption« bei Beamten, also der Tausch von Sex gegen Gegenleistungen, nicht nur disziplinarisch innerhalb der Partei, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden sollte. Bisher sind nur finanzielle Transaktionen Teil der Antikorruptionsgesetzgebung. Lius Geschäftsmodell der Bereicherung ist nicht ohne Risiko, da bei Korruption in besonders schlimmen Fällen die Todesstrafe droht. Zum Tode kann man in China laut Gesetz allerdings auch bei schwerem Gemüsediebstahl, Senkung der Moral der Truppen, Feigheit vor dem Feind oder Verkauf von schädlichen Lebensmitteln verurteilt werden. Den anderen korrupten Ich-AGs in der Partei bleibt wohl nichts anderes übrig, als weiterzumachen und zu hoffen, nicht wie Liu in Ungnade der Zentralregierung zu fallen. Der Staats- und Parteichef Xi Jinping verglich im Dezember vergangenen Jahres die Korruption mit Maden, die einen Kadaver zerfressen. Wer ist dann allerdings der stinkende Leichnam?