Postkolonialer Potentat

Als der angolanische Präsident José Eduardo dos Santos am Dienstag voriger Woche in seiner Rede an die Nation die Beziehungen zu Portugal als »nicht gut« beschrieb und einer strategischen Partnerschaft eine klare Absage erteilte, war die portugiesische Regierung erstaunt. Denn in Portugal meint man immer noch, aufgrund der kolonialen Vergangenheit einen privilegierten Zugang zum angolanischen Absatzmarkt zu haben. In Portugal sind die Veränderungen seit der Unabhängigkeit Angolas 1975 offensichtlich noch nicht ganz angekommen. Der Ölreichtum hat in den vergangenen Jahren in Angola zu teils zweistelligen Wachstumsraten geführt. In Portugal hingegen schrumpft die Wirtschaft, weshalb mittlerweile knapp 250 000 Portugiesen in das südwestafrikanische Land ausgewandert sind. Dos Santos bot vor zwei Jahren sogar an, der ehemaligen Kolonialmacht finanziell unter die Arme zu greifen. Für die stolze Seefahrernation kam das einer Demütigung gleich. Derzeit geht es vordergründig aber um etwas anderes. Im Zentrum stehen Ermittlungen gegen 13 hochrangige angolanische Geschäftsleute in Portugal, denen Bestechung und Korruption vorgeworfen wird. Das wirft wiederum kein gutes Licht auf dos Santos, dessen Tochter Isabel zu den wichtigsten Investoren in Portugal zählt. Der angolanische Staatskonzern Sonangol besitzt zudem knapp 20 Prozent der größten portugiesischen Privatbank Millennium BCP.
Darüber hinaus zeigt die Affäre vor allem das neue Selbstbewusstsein des Autokraten in Luanda. Seit mehr als 34 Jahren regiert dos Santos Angola und ist damit der am längsten amtierende Staatschef Afrikas. Die meiste Zeit davon regierte er ohne offizielles Mandat und auch die Wahlen im vergangenen Jahr gewann seine Partei MPLA fragwürdig mit 72 Prozent der Stimmen. Regierungskritiker lässt dos Santos verprügeln und einsperren. Außerdem müssen trotz des Ölreichtums rund zwei Drittel der Angolaner mit nur zwei Dollar am Tag auskommen. Die portugiesischen Ermittlungen gegen dos Santos’ Clique treffen somit keineswegs die Falschen. Problematisch ist vielmehr, dass die portugiesische Regierung aus Angst, sie könnte einen lukrativen Markt verlieren, zu den tagtäglichen Menschenrechtsverletzungen in Angola schweigt. Somit ist die Reaktion von dos Santos nur folgerichtig: Warum sollte in Portugal plötzlich stören, was in Angola akzeptierte Praxis ist?