Die rassistischen Fans von Spartak Moskau

Die braune Brut von Spartak Moskau

Seit Jahren fallen Fans des Fußballclubs Spartak Moskau durch ausländerfeindliche Aktionen auf. Nun wurde bei einem Spiel eine Hakenkreuzfahne gezeigt. Doch ob die Täter vor Gericht kommen, ist ungewiss.

Es geschah am 30. Oktober beim Auswärtsspiel von Spartak Moskau gegen Schinnik Jaroslawl. Auf der Tribüne des Fußballstadions in der zwei Autostunden nördlich von Moskau gelegenen Stadt Jaroslawl zeigten Jugendliche auf der Tribüne im Fan-Block von Spartak eine schwarz-rot-weiße Hakenkreuzfahne. Wie auf einem am nächsten Tag von der populären Zeitung Sowjetski Sport veröffentlichten Foto zu sehen ist, schritt die anwesende Polizei nicht ein. Und auch die anderen Fans reagierten nicht. Weil zwei Wochen nach dem Vorfall immer noch unklar war, ob die Polizei ein Strafverfahren gegen die Fahnenhalter eingeleitet hatte, erstattete der Fußballclub Spartak Anzeige. Spartak-Besitzer Leonid Fedun erklärte gegenüber dem Internet-Portal rsport.ru, die Unklarheit darüber, ob die Sicherheitsorgane gegen die Fahnenträger ermittelten, sei »nicht hinnehmbar«.
In der russischen Öffentlichkeit wurde der Vorfall kaum diskutiert. Zu oft schon sind ausländerfeindliche Rufe in Stadien zu hören gewesen. Und auch daran, dass das Andenken an die Soldaten, welche die deutschen Faschisten besiegten, viele Jugendliche nicht interessiert, hat man sich wohl schon gewöhnt. Immer wieder werden in russischen Provinzstädten und Dörfern Kriegsveteranen überfallen. Sogar Orden werden ihnen gestohlen – zuletzt im Mai in der Stadt Lipezk –, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verhökern. Weltkriegsdenkmäler werden regelmäßig geschändet, wie im Februar in Astrachan, wo Jugendliche nachts das ewige Feuer zum Andenken an die gefallenen Eroberer Berlins löschten, weil es sie beim Fotografieren störte. In der nordrussischen Stadt Petrosawodsk löschten zwei Betrunkene die dortige ewige Flamme im August 2011 mit Bier. Nach dem Vorfall in Jaroslawl erklärte der Fußballclub Spartak Moskau, mit dem Zeigen der Hakenkreuzfahne sei das Andenken an die Soldaten geschändet worden, die gegen den deutschen Faschismus kämpften. Doch eine Debatte um den Vorfall fand nicht statt, die Medien scheuen eine Auseinandersetzung mit nationalistischem und rechtsradikalem Gedankengut.
Zu dem Auswärtsspiel in Jaroslawl waren Tausende von Spartak-Fans mit einem Sonderzug angereist. Die Stimmung im Spartak-Fan-Block war bereits zu Beginn des Spiels aufgeheizt, immer wieder wurden aus der Tribüne Feuerwerksraketen abgeschossen. In der zweiten Halbzeit kam es zu einer Massenschlägerei zwischen Spartak-Fans und behelmten Polizisten der Spezialeinheit Omon, bei der von der Polizei auch ein Wasserwerfer eingesetzt wurde. 78 Fans wurden festgenommen, 800 Sitzschalen gingen zu Bruch. Schinnik-Fans waren nach Augenzeugenberichten an den Schlägereien nicht beteiligt. Ausgelöst wurde die Randale durch einen Flitzer im schwarzen Trainingsanzug, der einmal quer über das Spielfeld zur Tribüne der Spartak-Fans lief, wo er lachend begrüßt wurde. Wie sich später herausstellte, war der Flitzer – ein Mann in mittlerem Alter – in Moskau gemeldet. Als der Flitzer vor der Spartak-Fan-Tribüne in einer Gruppe von behelmten Polizisten verschwand und offenbar festgenommen wurde, begannen Spartak-Fans die Polizisten mit herausgerissenen Sitzschalen zu bewerfen. Die mit Helmen und Schildern ausgerüsteten Mitglieder der Omon (im russischen Fan-Slang »Kosmonauten« genannt) stoppten Hunderte Spartak-Fans, die die Absperrungen zum Spielfeld durchbrochen hatten. Das Spiel musste für 30 Minuten ausgesetzt werden, am Ende siegte Spartak 1:0.
Der Vorfall mit der Hakenkreuzfahne ist vielen Fans peinlich. Auf »fanat1k.ru«, dem Forum der Spartak-Anhänger, findet man aber auch erstaunlich viele Einträge mit klar rechtsradikaler Gesinnung. Es stehe in Deutschland nicht so schlecht um »rechte Symbolik«, wie man wegen der harten Strafen »dort« annehmen müsse, schreibt etwa der User »Clint Eastwood« und veröffentlich als Beleg Fotos von rechten deutschen Ultras. Der User »Forcados« schreibt, die Spartak-Fan hätten sich mit den Polizisten der Omon »grandios« geschlagen. Überall würden die Fans jetzt Kommentare posten wie: »Lass die Liberalen sehen, dass die Helden von Rus nicht ausgestorben sind.« Erst Mitte Oktober griffen nach der Ermordung eines jungen Russen 4 000 Anwohner, unterstützt von Rechts­radikalen und Fußball-Fans, einen Gemüsegroßhandel im Randbezirk Birjuljowo an, wo viele Kaukasier arbeiten.
Nachdem die Moskauer Sportzeitungen den Vorfall mit der Hakenkreuzfahne öffentlich gemacht hatten, reagiert auch die Leitung von Spartak. In einer Erklärung des Clubs heißt es, der Vorfall beleidige »das Andenken an Millionen umgekommener Menschen«. Doch nur mit Erklärungen wird man die über Jahre geduldeten rechtsradikalen Fans nicht ändern. Für die Aufklärung über die Verbrechen des Nazismus fühlt sich der Club nicht zuständig. Allerdings tragen auch die regierungstreuen Medien einen Teil der Verantwortung. Denn in den Blättern der Hauptstadt werden die Arbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien nicht als Mitbürger, sondern als Fremde und Eindringlinge mit hohem kriminellen Potential dar­gestellt.
Zehn Tage nach dem Vorfall gab Club-Eigner Leonid Fedun bekannt, dass der Sicherheitsdienst seines Fußballclubs die Fahnenträger gefunden habe. Von den Fans seien jedoch – trotz einer versprochenen Prämie von umgerechnet 6 800 Euro – keine Hinweise gekommen. Fedun erklärte, die Provokateure seien »keine Fußballfans«, sondern Mitglieder der extremistischen Organisation »Russische Front«, Gefängnisstrafen »von bis zu sieben Jahren« seien möglich. Die Polizei zeige jedoch kein Interesse, den Vorfall aufzuklären. Fast gleichzeitig sagte der Moskauer Polizeichef, Anatoli Jakunin, allerdings, die Fahnenhalter würden »ohne Nachsicht« bestraft. Und Vitali Mutko, der Sportminister Russlands, ärgerte sich über den Wasserwerfereinsatz. »In welchem Land der Welt kann man sowas noch sehen?« fragte er. Dies schade dem Image Russlands und schrecke Investoren ab. So ein Einsatz sei »nicht normal« für ein Land, das 2018 die Fußballweltmeisterschaft ausrichten will. Die Russische Fußball-Union verhängte wegen der Krawalle gegen beide Fußballclubs harte Strafen. Schinnik muss wegen ungenügender Sicherheitsvorkehrungen dreimal vor leeren Tribünen spielen und 11 000 Euro zahlen, Spartak wurde unter anderem wegen der Hakenkreuzfahne zu zwei Geisterspielen und einer Geldbuße in Höhe von 13 000 Euro verurteilt.
In den Foren der Spartak-Fans ist der Ärger über die Strafen für den eigenen Club groß. Doch niemand scheint daran zu glauben, dass diese Strafen etwas an der Gewaltbereitschaft der Störer ändern werden. Was sich in der Moskauer Fanszene abspielt, gibt auch Aufschluss über die gespannte Stimmung in den Plattenbauvierteln der Moskauer Außenbezirke. Dort leben Jugendliche, die sich keine großen Anschaffungen leisten können und die angereisten Arbeiter aus dem Kaukasus und Zentralasien als Feinde sehen, die man am liebsten mit Gewalt vertreiben würde. Durchaus typisch für die aggressive Stimmung in Teilen der Moskauer Jugend ist folgender Leserkommentar in der Online-Ausgabe der Komsomolskaja Prawda zum Polizeieinsatz während des Spiels in Jaroslawl: »Die kampffähigen Einheiten der Jugend werden langsam vernichtet. Es bleiben nur feige Zeitgenossen im Rentenalter und Schwule. Danach kann man Russland mit nackten Händen nehmen und in ein Kalifat verwandeln.« Eine demokratische und linke Fanszene, die der Propaganda rechter Extremisten in den Fußball-clubs mit eigener Aufklärungsarbeit etwas entgegensetzt, gibt es bisher nicht. Linke Sportclubs sind nur im Bereich Freistilringen aktiv.