Chim chim cher-ee

Im immer noch sehr neuen Jahr wird es eine Berufsgruppe schwerer haben. Sie wurde endgültig aus dem Paradies der glückseligen Monopolisten ­hinausgeworfen und soll sich nun auf dem furchtbar kaltherzigen freien Markt behaupten. Wie gemein. Was haben sie verbrochen, unsere immer schmuddeligen Glücksschweinchen, die Schornsteinfeger? Man weiß nicht, ist die FDP schuld? Bayern? Die NSA gar? Nee, das kann nicht sein, die NSA gibt es ja eigentlich überhaupt nicht, das stimmt doch alles nicht, was ihr vorgeworfen wird, da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Oder so. Zurück zum Schornsteinfeger. Das Kehr-Monopol fiel schon 2013, aber erst Ende dieses Jahres werden auch die Kehrbezirke frei ausgeschrieben, und auf die kommt es an. Jetzt wird sich zeigen, welcher der etwa 20 000 Feger welchen Bezirk ergattern kann. Was für ein Stress! Bislang kannte man ihn als ausnehmend hübschen Tänzer aus Mary Poppins, als professionellen Handschüttler, Zylinderträger und Lebensretter. Behende springt er von Giebel zu Giebel mit seinem stacheligen Kugeldings und putzt und kratzt und schüttelt den Dreck aus den Kaminen, damit der Weihnachtsmann sich nicht schmutzig macht. Natürlich nur der englische und amerikanische Weihnachtsmann. Der Schornsteinfeger ist ein Traditionalist, denn er kündigt sein Kommen wie vor 100 Jahren mit Kreidemalereien an der Haustürscheibe an. Und er ist ein guter Katzenunterhalter. Kaum kratzt sein Kugeldings an den Kaminen der Wohnhäuser, wacht jede Katze auf und wird für die nächsten zehn Minuten an nichts anderem als an diesem sonderbaren Geräusch interessiert sein. Je nach Temperament versucht sie entweder das Geräusch zu fangen, ihre Menschen auf die Gefahr aufmerksam zu machen oder sich im nächsten Schrank zu verstecken, nach dem Motto: Nimm die Menschen, du grässliches Monster, nicht mich.
Und jetzt? Ist alles vorbei? Wird man nie wieder die heimlich im Keller gerauchten Kippen des Fege-Gesellen aufsammeln können, weil der gar keine Muße zum Rauchen mehr hat? Nie wieder eine schnippische Antwort auf die Bitte erhalten, mal zu klären, warum der eine Kaminschacht so stinkt, dass in der Wohnung schon eine heimliche Schinkenräucherei vermutet wurde? Kein »Bin ick nich zuständig« mehr? Wird einem kein höhnisches Lachen mehr entgegenschallen, wenn man – weil man ein wirklich dummes Ding ist – fragt, ob so ein Schornsteinfeger auch für die Ofenreinigung zuständig sei? Werden die Schornsteinfeger, weil an der nächsten Ecke schon der Konkurrent lauert, nun etwa freundlich sein zu uns vormaligen Bittstellern, die jetzt Kunden­könige sind? Ach, ich vermisse es jetzt schon. Aber wahrscheinlich bleibt dann doch wieder alles, wie es immer war. Und das Kugeldings heißt übrigens ganz schnöde Schornsteinbesen.