Ein Jahr neue Reisegesetze in Kuba

Auf Nimmerwiedersehen

Am 14. Januar jährt sich die Aufhebung der kubanischen Reisebeschränkungen. Vor allem Besserqualifizierte kommen nicht zurück, doch es gibt auch positive Entwicklungen in Kuba.

»Ich werde mindestens noch bis zum Sommer in den USA bleiben, werde in New York Fotos ausstellen, habe eine Performance in Houston zugesagt und ein Kooperationsprojekt in Miami. Das wäre früher nicht denkbar gewesen«, sagt Luis Eligio vom Künstlerkollektiv Omni Zona Franca. Der kubanische Videokünstler ist zwar auch früher schon im Ausland gewesen, aber damals war die Ausreise nicht für mehr als elf Monate möglich und hing von der Zustimmung der Regierung ab. Ohne die carta blanca, die Ausreisegenehmigung der kubanischen Regierung, war an eine Reise nicht zu denken. Das ist seit dem 14. Januar 2013 anders. An diesem Tag traten die neuen Ausreisebestimmungen in Kraft und seitdem können Kubanerinnen und Kubaner die Insel verlassen, wenn sie einen gültigen Pass, ein Ticket und ein Visum vorlegen können. Viele, die Kontakte oder Familie im Ausland haben, ergriffen nun die Chance zu reisten. Zwischen dem 14. Januar 2013, als die prominente Bloggerin Yoani Sánchez neben vielen anderen die Probe aufs Exempel machte und zu einer 80tägigen Reise rund um die Welt antrat, und dem 30. November 2013 sind den kubanischen Migrationsbehörden zufolge 257 518 Kubaner ausgereist, 35 Prozent mehr als 2012. Die wichtigsten Reiseziele waren die USA, wohin 36 Prozent der Kubaner reisten, Mexiko, Spanien und Ecuador.

Von den Reisenden kamen jedoch längst nicht alle zurück. Für Lamberto Fraga, leitender Beamter der Migrationsbehörde in Havanna, ist das keine große Überraschung. Viele Kubanerinnen und Kubaner bleiben länger in den USA, denn nach einem Jahr und einem Tag Aufenthalt erhalten sie ein Bleiberecht und müssen nie wieder ein Visum beantragen, erklärt Fraga. Doch die Quote der Rückkehrer ist auch bei Reisen in den Rest der Welt nicht sonderlich hoch. Während 60 Prozent der Kubanerinnen und Kubaner, die in die USA reisten, vorerst nicht zurückkamen, waren es bei anderen Zielen 52 Prozent. Sie gelten zwar erst nach 24 Monaten als Auswanderer, aber dass lange nicht alle zurückkommen werden, ist auch für den ehemaligen Diplomaten Gabriel Calaforra kein Geheimnis: »Flucht und Ausreise gehören zu Kubas Realität und das Leben in Kuba wird immer schwieriger. Unsere Gesellschaft driftet immer weiter auseinander.«
Auch Yoani Sánchez streicht ihrem Blog zufolge die kubanischen Telefonnummern von immer mehr Freunden aus ihrem Adressbuch. Es sind meist die Besserqualifizierten, die gehen. Das bestätigt auch Omar Everleny Pérez Villanueva, leitender Wissenschaftler am Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC): »Wir können uns die Abwanderung gut ausgebildeter Facharbeiter nicht leisten, aber immerhin ist die riskante illegale Ausreise bei Nacht und Nebel per Schnellboot nach Miami gestoppt.« Das ist ein Vorteil der Reisegesetze, die auch etwas wirtschaftliche Dynamik auf die Insel bringen. Einige tausend Kubanerinnen und Kubaner pendeln mittlerweile zwischen Havanna und Miami, verdienen US-Dollar in Florida und investieren das Geld in kleine Geschäfte in Kuba. Das ist auch den Wissenschaftlern des CEEC nicht verborgen geblieben. Sie haben eine Investitionszunahme im wachsenden Privatsektor der Insel registriert, eine potentielle Ursache sind die Pendler zwischen Kuba und Florida.

Dadurch verändert sich auch die soziale Situation in Kuba, die Gesellschaft wandelt sich. Armut werde stärker sichtbar, kritisieren einige Dissidenten, Pérez Villanueva widerspricht dem jedoch: »Die Gesellschaft hat sich in den letzten 20 Jahren differenziert, nicht erst in den letzten zwölf Monaten. Die neuen Reisegesetze machen das nur noch sichtbarer.« Diese Einschätzung teilt auch Eligio von Omni Zona Franca. Er will im Spätsommer in Kuba ein Filmprojekt realisieren, das den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen 30 Jahre nachzeichnen soll. Das Geld dafür will er in den kommenden Monaten in den USA verdienen.