50 Jahre Sicherheitskonferenz in München

Tagung mit Tradition

Die Münchner Sicherheitskonferenz findet in diesem Jahr zum 50. Mal statt. Ihre Geschichte ist ebenso fragwürdig wie ihre Ehrengäste und die militärischen Vorstellungen der Organisatoren.

Die Münchner Sicherheitskonferenz, die wichtigste militärpolitische Tagung Deutschlands, begeht an diesem Wochenende ihr 50. Jubiläum. Deshalb erwarten die Organisatoren um den Konferenzleiter Wolfgang Isch­inger eine ganze Reihe hochrangiger Gäste. Aus Berlin werden Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) anreisen. Mit Joachim Gauck soll erstmals ein Bundespräsident die Eröffnungsrede halten. Insgesamt haben sich 18 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außen- und Verteidigungsminister angesagt. Allein aus den USA werden Verteidigungsminister Chuck Hagel, Außenminister John Kerry, Barack Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice sowie zahlreiche Senatoren kommen. Geladen sind zudem der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein iranischer Amtskollege Mohammad Javad Zarif.

Das Tagungsprogramm wird nach Aussage des Konferenzleiters Ischinger einmal mehr »von den Aktualitäten bestimmt – vom Konflikt im südchinesischen Meer über Syrien bis zur Ukraine«. Die in der Ukraine tobenden bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen hätten die Organisatoren »sehr prominent« auf ihrem »Radarschirm«, so Isch­in­ger: »Wir haben auch Vertreter der Opposition eingeladen, ich kann aber keine Namen nennen.«
Ischingers Geheimniskrämerei könnte ihren Grund darin haben, dass er den gegen die Sicherheitskonferenz gerichteten Protesten keinen zusätzlichen Anlass geben will. Zur ukrainischen Opposition gehören bekanntermaßen auch Neo­faschisten und Bewunderer der antisemitischen Vernichtungspolitik Nazideutschlands, die sich in der Partei »Swoboda« zusammengeschlossen haben. Ein anderer avisierter Konferenzteilnehmer, der ehemalige US-Außenminister und Sicherheitsberater Henry Kissinger, hat bereits für Unmutsbekundungen gesorgt. Kissinger, der ebenso wie der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und der ehemalige französische Staatspräsident Valérie Giscard d’Estaing zu den Ehrengästen der Konferenz zählt, werden schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Kissingers Kritiker können sich auf die Arbeiten des in der US-Hauptstadt beheimateten »National Security Archive« der George-Washington-Universität berufen. Aus den dort archivierten Dokumenten geht hervor, dass Kissinger die politische Verantwortung für die Flächenbombardements trägt, mit denen die US-Luftwaffe während des Vietnamkriegs versuchte, Rückzugsgebiete und Transportrouten der nordvietnamesischen Armee in Laos und Kambodscha zu treffen. Den Angriffen fielen Schätzungen zufolge fast eine Million Menschen zum Opfer. Fest steht zudem Kissingers maßgebliche Beteiligung an der Vorbereitung des Militärputsches in Chile, der am 11. September 1973 zum Sturz und zum Tod des amtierenden sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende führte. Der argentinischen Militärdiktatur gab Kissinger 1976 sein Einverständnis für die gnadenlose Verfolgung der linken Opposition. Ebenso fanden die Massaker der pakistanischen Armee im heutigen Bangladesch 1971 und die Massenmorde der indonesischen Streitkräfte in Osttimor 1975 seine Unterstützung.
Ischinger scheint sich daran nicht zu stören. Ohnehin zeichnet sich sein Umgang mit historischen Tatsachen durch eine recht selektive Wahrnehmung aus. Deutlich wird dies anhand seiner Beschäftigung mit Ewald-Heinrich von Kleist-Schmenzin, dessen er unter anderem in einer aus Anlass des 50. Jubiläums der Münchner Tagung erschienen Festschrift lobend gedenkt. Der 1922 geborene und im vergangenen Jahr verstorbene Kleist-Schmenzin war Wehrmachtsoffizier und zählte zu den Verschwörern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die am 20. Juli 1944 erfolglos versuchten, Adolf Hitler zu töten und die Regierungsgewalt zu übernehmen.

Ende 1963 fand auf Kleist-Schmenzins Initiative hin zum ersten Mal die Münchener Sicherheitskonferenz statt, damals noch »Internationale Wehrkundebegegnung« oder schlicht »Wehrkundetagung« genannt. Bereits 1952, drei Jahre vor der offiziellen Gründung der Bundeswehr, hatte Kleist die »Gesellschaft für Wehrkunde« (GfW) ins Leben gerufen. Der aus Steuermitteln finanzierte Verein, der mittlerweile als »Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik« firmiert, aber immer noch die Abkürzung GfW trägt, hat zurzeit etwa 7 000 Mitglieder, darunter zahlreiche hochrangige Funktionsträger aus Staat, Politik, Militär und Rüstungsindustrie. Die Organisation sieht ihre Aufgabe nach wie vor darin, »Verständnis zu wecken für die stete Notwendigkeit, den Frieden in Freiheit und die Souveränität Deutschlands zu schützen sowie den Gefahren der inneren Schwächung des freiheitlichen Selbstbehauptungswillens entgegenzuwirken«. Weder in Selbstdarstellungen wie diesen noch bei Isch­ingers Lob des Gründers der Organisation fällt auch nur ein Wort darüber, aus welchem Personenkreis sich in den fünfziger und sechziger Jahren die Führungsmannschaft der GfW rekrutierte.
Zu dieser zählte unter anderem Georg-Hans Reinhardt, der von 1954 bis 1963 das Amt des Vorsitzenden der GfW bekleidete. Der vormalige Generaloberst der Wehrmacht war erst im Gründungsjahr der Gesellschaft aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen worden. Das US-Militärtribunal in Nürnberg hatte ihn 1948 für schuldig befunden, sowohl Massenerschießungen als auch die Tötung jüdischer Kriegsgefangener der Roten Armee befohlen zu haben. Nachgewiesen wurde ihm zudem die Zusammenarbeit mit den SS-Einsatzgruppen, die vor allem in Polen und der Sowjetunion systematisch Hunderttausende Juden und Kommunisten ermordet hatten.
Doch statt sich mit der Historie der Sicherheitskonferenz zu befassen, liest Isch­in­ger in einer aktuellen Stellungnahme lieber der Großen Koalition die Leviten: »Große strategische Ideen, oder auch große Fragen, fehlen im Koalitionsvertrag weitgehend.« Positiv vermerkt er lediglich das klare Bekenntnis der Koalitionäre zur Militarisierung der EU: »Die Bundesregierung wird die europäische Verteidigungsintegration unterstützen und die Gründung einer europäischen Armee als langfristiges Ziel beibehalten. Dies mag für die Praxis nicht viel bedeuten, doch ist die Sprache in diesem Abschnitt erfreulich deutlicher als an anderen Stellen.« Für problematisch hält Isch­inger indes, dass im Fall der Entsendung der Bundeswehr in ausländische Interventionsgebiete nach wie vor der sogenannte Parlamentsvorbehalt gilt: »Die Sorge ist, dass Deutschlands Partner kaum (…) Entscheidungen im Sinne einer weitergehenden Integration ihrer Streitkräfte zustimmen würden, wenn der Bundestag ein uneingeschränktes Veto bei allen militärischen Einsätzen behielte.«

Ein Auftaktredner wie der amtierende Bundespräsident kommt Ischinger da gerade recht. Immerhin sagte Gauck bereits in seiner Rede zum »Tag der deutschen Einheit« am 3. Oktober vergangenen Jahres: »Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden. Aber ich mag mir genauso wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen.« Isch­inger hört solche Sätze gerne, lassen sie sich seiner Auffassung nach doch als »Absage an die überstrapazierte sogenannte Kultur der militärischen Zurückhaltung« interpretieren, wie er im Dezember auf der Website der Sicherheitskonferenz schrieb.
Auch die Süddeutsche Zeitung erkennt bereits Anzeichen für einen entsprechenden »Sinneswandel«. Er drücke sich in der angekündigten Entsendung zusätzlicher deutscher Truppen nach Mali und Zentralafrika aus und sei der Einsicht geschuldet, »dass die Wirtschaftsmacht Deutschland ein Problem bekommt, wenn sie sich außenpolitisch und militärisch in den Augen der anderen EU-Partner zu sehr zurückhält«. Auf der Sicherheitskonferenz dürfte somit einmal mehr Bombenstimmung herrschen.