Alice Schwarzer und die Steuer

Alice im Sünderland

Eigentlich müsste man Alice Schwarzer gegen das Kollektiv der Steuergerechten verteidigen. Leider macht sie selbst das unmöglich.

Die Herausgeberin von Emma hat während ihres länger als 40 Jahre währenden Wirkens als oberste Deutschfeministin vieles getan, um sich in den Augen denkender Menschen aller Geschlechter zu diskreditieren. Doch wie hierzulande üblich, bescherte ihr reaktionärstes Gewäsch ihr die meisten Anhängerinnen und Anhänger. Im Stil einer Bundesministerin für weiblichen Anstand empörte sie sich über die ihre Trägerinnen zu »Milchkühen« degradierende »Titten-Mode«, bezeichnete die Teilnahme von Frauen an sadomasochistischen Sexualpraktiken als »Kollaboration mit dem Feind«, rückte Prostitution in die Nähe von Pädophilie und prangerte sie zuletzt nicht als Ausdruck sexuellen Elends, sondern als »deutschen Skandal« an. Ein Blick auf ihre Homepage, auf der sie mit ihren Mitarbeiterinnen wie Mutter Beimer mit Bagage posiert und sich in der Ratgeberrubrik »Ask Alice« als Strickliesel-Domian geriert, macht vollends evident, dass sie nicht mehr ernst zu nehmen ist.
Unbeliebt gemacht hat Schwarzer sich immer nur, wenn ihr mal ein vernünftiger Gedanke passiert ist. Ihre Ablehnung des islamischen Kopftuchs und ihre Befürchtung, der Islam drohe das bürgerliche Rechtssystem auszuhöhlen, wiesen sie nach Ansicht ihrer Gender-Erbinnen, die wie alle Erben die eigene Herkunft schmähen, als die Reaktionäre aus, die sie gerade in diesem Fall am wenigsten war. Und dass ihr der Kampf für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch von vielen bis heute übel genommen wird, zeigt eine aus dem Dunstkreis der sogenannten Männerbewegung heraus initiierte Fake-Kampagne im Internet, die Schwarzers jüngst durch einen Bericht im Spiegel aufgeflogene Steuerhinterziehung unter dem Motto »Mein Konto gehört mir« zum Anlass für misogyne Häme nimmt.
Dabei wäre gerade die zufriedene Empörung, die das Bekanntwerden von Schwarzers Selbstanzeige ausgelöst hat, der Kritik wert. Einiges, das sie dazu in der Stellungnahme auf ihrer Homepage schreibt, trifft tatsächlich zu, so selbstgefällig es daherkommt: Wer ein eigenes Steuerdelikt zur Anzeige bringt und den Schaden kompensiert, hat seine Schuld abgebüßt; wer jedoch als korruptes Charakterschwein und Sünder am Volke denunziert wird, der soll nicht für ein Vergehen zur Verantwortung gezogen, sondern als schlechter Mensch verächtlich gemacht werden. Statt sich aber auf den Hinweis zu beschränken, sie wolle juristisch nicht anders als andere behandelt werden, hat Schwarzer das Bekanntwerden ihrer Selbstanzeige zum Anlass genommen, zu beweisen, dass sie noch staatsbürgerlicher als ihre Volksgenossen ist.
Sie habe, schreibt sie in ihrer Stellungnahme, ihr Geld in der Schweiz nur deshalb gebunkert, weil sie aufgrund der »Hatz« gegen sich befürchtet habe, irgendwann »ins Ausland gehen« zu müssen, im Grunde also in präventiver Notwehr. Außerdem will sie zeigen, dass sie ihren Reichtum nicht wie vernünftige Menschen verwendet, um den eigenen Luxus zu mehren, sondern, wie Staatsbürger eben, um selbstlos Gutes zu tun. Deshalb hat sie die Gründung einer Stiftung zur Förderung der »Menschenrechte von Frauen und Mädchen« angekündigt. Die Konstitution ihrer Landsleute berechtigt zu dem Verdacht, dass sie damit die Herzen ihrer Anhänger wiedergewinnt.