Die französische Atomlobby im Niger

Ungestört weiterstrahlen

Eine französische NGO berichtete kritisch über die Machenschaften des Atomkonzerns Areva im Niger. Dafür wurde sie wegen Diffamierung verurteilt.

Es bleibt gefährlich, sich mit der französischen Atomlobby anzulegen. Diese Erfahrung musste die kleine NGO L’Observatoire du nucléaire des Politikers der französischen Grünen, Stéphane Lhomme, machen. Am Freitag vergangener Woche wurde die NGO in Paris in erster Instanz zu einer Geldstrafe wegen Diffamierung verurteilt, weil sie Praktiken der Atomfirma Areva im afrikanischen Staat Niger kritisiert hatte.

Im vorvergangenen Jahr bezog Areva 37 Prozent seines Urans für Nuklearbrennstoff aus der Republik Niger. Damit basieren rund 30 Prozent der französischen Stromproduktion, die zu drei Vierteln auf Atomenergie beruht, auf dem Rohstoff aus Niger, einem der drei ärmsten Länder der Welt. 60 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag, über 90 Prozent sind nicht an ein Stromnetz angeschlossen. Areva schürft seit 1968 Uran im Niger. 87 Prozent der Aktienanteile hält der französische Staat.
Das Observatoire du nucléaire berichtete am 11. Dezember 2012 über eine Geldzuwendung von Areva an den nigerischen Staat in Höhe von 35 Millionen Euro, um dem damals seit anderthalb Jahren regierenden Präsidenten Mahamadou Issoufou ein neues Präsidentenflugzeug zu spendieren. Schon seit dem 3. Dezember desselben Jahres fanden darüber Debatten im nigerischen Parlament statt, die Opposition kritisierte heftig die vorgebliche Spende, die in Wahrheit dazu diente, Issoufou die Politik von Areva schmackhaft zu machen. Die französische NGO schrieb dazu auf ihrer Website, es handele sich »um Korruption, wenn nicht im juristischen Sinne, dann mindestens im moralischen Sinne«.
Unterdessen führten die Parlamentsdebatte und die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit in Niger dazu, dass der geplante Kauf eines neuen Präsidentenflugzeugs annulliert wurde. Das Kaufvorhaben, ebenso wie die Geldspende von Areva, waren bereits im Haushaltsgesetz ausgewiesen worden. Tatsächlich haben die 17 Millionen Einwohner Nigers vermutlich andere Sorgen, als ihrem Staatsoberhaupt einen neuen Flieger zu gönnen. So drängen sich in den Schulen bis zu 140 Schüler pro Klasse. Im November vergangenen Jahres kam es zu Krawallen, als Oberschüler und deren Gewerkschaft USN gegen diese Zustände demonstrierten.

Das Gericht in Paris kam nun zu der Auffassung, der Gebrauch des Begriffs »Korruption«, um den Umgang der Atomfirma mit dem nigerischen Präsidenten zu beschreiben, sei »mindestens unvorsichtig«. Allerdings kam es dem Ansinnen von Areva nicht nach, was die Strafzumessung betrifft. Der Nuklearkonzern hatte eine Geldstrafe, die Veröffentlichung des Urteils in drei Tageszeitungen sowie Anwalts- und Gerichtskosten in Gesamthöhe von 25 000 Euro gefordert. Dies hätte die NGO definitiv ruiniert. Die Richter verhängten stattdessen eine Geldstrafe auf Bewährung in Höhe von 1   000 Euro. Glewichwohl ist das Urteil aus Sicht vieler Beobachter grundsätzlich inakzeptabel, da L’Observatoire du nucléaire ausschließlich über Tatsachen berichtet hatte. Die NGO legte noch am Tag der Urteilsverkündung Berufung ein.
Präsident Issoufou benötigt wohl nicht einmal Spenden von Areva, um für die Forderungen der Atomfirma hellhörig zu sein. Er studierte Ingenieurswesen in Frankreich. Nach seiner Rückkehr in den Niger war er zunächst für Bergbaufragen im Energieministerium zuständig, später leitete er die Firma Somaïr. Sie ist neben dem Uranbergbauunternehmen Cominak eine der beiden Filialen nigerischen Rechts, die Areva vor Ort unterhält. Von 1985 bis 1991 war Issoufou Direktor von Somaïr, direkt im Anschluss schlug er seine politische Karriere ein.
Allerdings fordert die nigerische Regierung seit vergangenem Oktober höhere Abgaben von Areva. Denn auch wenn Issoufou weder Atomkraftkritiker noch Antikapitalist ist, möchte seine Regierung doch, dass der Uranabbau, der 71 Prozent der Exporterlöse des Landes ausmacht, ein wenig mehr zum Staatshaushalt beiträgt als bisher. Der wichtigste Rohstoff des Landes bringt derzeit nur 5,5 Prozent des Budgets. Die nigerische Regierung möchte den Anteil auf zwölf Prozent erhöhen, zu welchem Zweck ein neues Steuergesetz von 2006 erstmals auch auf Areva angewendet werden soll. Der Atomkonzern antwortete, dass dies nicht in Frage komme. Die Souveränität des Landes hat aus Arevas Sicht keinerlei Bedeutung. Der gesamte Staatshaushalt Nigers beträgt rund zwei Milliarden Euro im Jahr, der Umsatz von Areva betrug im vorletzten Jahr 9,34 Milliarden.

Anfang Oktober kündigte die nigerische Regierung eine Neuverhandlung der Bergbauverträge an, deren zehnjährige Laufzeit Ende Dezember enden sollte. Anfang Dezember kündigte Areva daraufhin seinen Rückzug aus Niger an, dementierte aber kurz darauf. Um den Druck auf die 5 300 Beschäftigten vor Ort zu erhöhen, schloss die Atomfirma vom 18. Dezember bis zum 1. Februar ihre Minen vor Ort – offiziell für Wartungsarbeiten. Beide Seiten verhandeln nach wie vor weiter, obwohl der Stichtag am 31. Dezember bereits vergangen ist.
Um nicht mehr Abgaben zahlen zu müssen, beruft sich Areva auch darauf, man tue doch sehr viel für Sozialprogramme vor Ort. So gehören zwei Krankenhäuser in der Bergbaustadt Arlit dem Atomkonzern. Für Areva ist dies jedoch sehr nützlich: In beiden Kliniken wurde nie eine ein­zige Krebserkrankung festgestellt, die auf Radioaktivität zurückzuführen wäre. Stattdessen sterben die Menschen an »unbekannten Krankheiten«. Der Uranabbau in Arlit hat bislang 50 Millionen Tonnen strahlender Abfälle hinterlassen, die rund um die Stadt unter freiem Himmel aufgetürmt sind.