Die Verhandlungsstrategie von USA und EU

Drohen, locken und verhandeln

EU und USA versuchen Druck aufzubauen, damit die Nahostverhandlungen nicht scheitern.
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Die Rede des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, in der Knesset war in der vorigen Woche der Aufreger Nummer eins. Interessant war sie allerdings weniger wegen einiger dummer Äußerungen des EU-Vertreters, sondern weil sie die Nahoststrategie der EU verdeutlichte. So wurde offensichtlich, dass sich EU und USA abgesprochen haben, im Rahmen der gegenwärtigen Verhandlungen einerseits auf beide Seiten Druck aufzubauen, die Gespräche nicht scheitern zu lassen, und gleichzeitig für den Erfolgsfall Versprechungen zu machen. »Die Seite, die für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich sein wird, muss mit Konsequenzen rechnen«, sagte nun auch der EU-Botschafter in Israel, Lars Faa­borg-Andersen, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). Doch was haben EU und USA überhaupt in der Hand?
Den Palästinensern drohen sie mit der Einstellung der Hilfszahlungen. Jährlich überweist die EU etwa 400 Millionen Euro nach Ramallah. Der Apparat der Autonomiebehörde (PA) ist davon abhängig. Die EU bezahlt ungefähr ein Fünftel der 170 000 Beamten. Im Dezember stellte der Europäische Rechnungshof fest, dass auch 70 000 arbeitslose Angestellte der PA im Gaza-Streifen weiterhin jeden Monat ihr Gehalt überwiesen bekommen, obwohl sie seit dem Putsch der Hamas 2007 gar nicht mehr beschäftigt sind. Einerseits hat die Drohung, die erheblichen Zuwendungen zu entziehen, also Gewicht, andererseits stellt sich die Frage, ob sie überhaupt durchgesetzt werden könnte. Die Konsequenz wäre der Ruin der PA, was nicht im Interesse der EU und der USA liegen kann. Eine leere Drohung also?
Gegenüber Israel hat die EU ebenfalls kaum Drohpotential. Sie kann, so scheint es, nur die Streichung von Subventionen und den Boykott von Waren aus den Siedlungen in Aussicht stellen. Die EU bereitet schon länger die Durchsetzung einer generellen Kennzeichnungspflicht vor. In einigen Ländern wie Großbritannien und Dänemark ist sie schon Praxis. In Deutschland bietet die Supermarktkette Kaiser’s bereits seit 2012 überhaupt keine Produkte aus dem Westjordanland mehr an. Der FAS zufolge verlangt auch Lidl von israelischen Lieferanten, keine Produkte aus Siedlungen zu liefern. Und so droht die EU Israel denn vor allem mit dem europäischen Verbraucher: »Es würde genügen, privaten Unternehmen die Problematik zu erklären, die aus Geschäftsbeziehungen mit Siedlungen erwachsen. Die Verbraucher selber würden dann durch ihr Verhalten den Israelis einen Markt entziehen. Israel würde international immer mehr isoliert«, sagte Faaborg-Andersen der FAS. Auch US-Außenminster John Kerry drohte indirekt mit derartigen Konsequenzen.
Dies ist eine perfide Strategie, denn um die Verbraucher, sprich die Bevölkerung, zum Israel-Boykott anzuregen, muss man vor allem antiisraelische Stimmungen schüren, ganz im Sinne der Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BDS). Dass die Maßnahme zudem an den Boykott jüdischer Geschäfte in der NS-Zeit erinnert, lässt sich kaum übersehen. Auch wird hier offenbarmit zweierlei Maß gemessen, schließlich wird in anderen Konflikten nicht über Warenboykotte nachgedacht und die türkische Besatzung Nordzyperns beispielsweise nicht entsprechend sanktioniert wird.
Auf der anderen Seite werden großspurig Versprechungen gemacht. Martin Schulz sagte in der Knesset: Israel und einem zukünftigen Staat Palästina werde man einen »leichteren Zugang zum europäischen Markt gewähren, Handel und Investitionen vereinfachen, den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch ausbauen sowie eine engere Sicherheitszusammenarbeit« anbieten. Diese Versprechungen wie auch die Drohungen sind also Teil einer Strategie Druck aufzubauen. Dabei wird von den Israelis mehr verlangt. Die Drohung gegen die palästinensische Seite bezieht sich darauf, die Gespräche nicht scheitern zu lassen. Israel soll jedoch nicht nur unter Druck gesetzt werden, irgendwann ein Abkommen zu unterzeichnen, sondern schon im Voraus Zugeständnisse in der Siedlungspolitik machen.
Dabei ist die Frage der Siedlungen die am einfachsten zu verhandelnde. Da wird es am Ende um einen Gebietsaustausch und den genauen Grenzverlauf gehen, um ein paar Quadratkilometer hier und ein paar Quadratkilometer dort. Nichts, was sich nicht lösen lässt. Andere Fragen haben weit weniger Kompromisspotential, etwa das Thema Ostjerusalem. Die Crux der Verhandlungen liegt aber sowieso ganz woanders: Solange im Gaza-Streifen die Hamas regiert, ist das ganze Gerede für die Katz.