Das neue Mediengesetz in Argentinien

Einschränken für mehr Vielfalt

Das neue Mediengesetz in Argentinien soll die Macht privater Medienkonzerne beschränken. Auch wenn es vor allem einen regierungskritischen Konzern trifft, pro­fitiert die Meinungsvielfalt vom Gesetz.

Am Medienimperium der Gruppe Clarín kommt man in Argentinien nicht vorbei. Nach Angaben der Aufsichtsbehörden kontrolliert es 38 Prozent des frei verfügbaren Fernsehens, 59 Prozent des Kabelfernsehens und 41 Prozent des Radiomarktes. Es gibt kaum einen Bereich, in dem das 1945 gegründete Konglomerat nicht Marktführer ist: Clarín (Flügelhorn) heißt die am weitesten verbreitete Tageszeitung, das Fernsehnetzwerk Canal 13, der Nachrichtensender TN und der Sportsender TyC gehören ebenso zur Senderfamilie wie eine Vielzahl von Radiosendern. Hinzu kommen der Telekommunikationsanbieter Fibertel und die größte Druckerei des Landes.
Clarín gehört auch seit mehreren Jahren zu den erbittertsten Gegnern der Regierung von Cristina Fernández de Kirchner. Das war nicht immer so: Als der 2010 verstorbene ehemalige Präsident Néstor Kirchner 2003 sein Amt antrat, waren Clarín und die linksperonistische Regierung noch Verbündete. Dies änderte sich erst, als Kirchners Ehefrau und Nachfolgerin im Amt sich 2008 mit dem mächtigen Agrarsektor anlegte und sich zugleich anschickte, das staatliche Fernsehen auszubauen. Die damals gültige Fassung des argenti­nischen Mediengesetzes stammte aus dem Jahr 1980, also aus der Zeit der Militärdiktatur. Als die Regierung von Fernández de Kirchner im Oktober 2009 das Gesetz neu formulierte, stellte dies für Clarín eine Kriegserklärung dar. Vornehmliches Ziel der Neufassung ist es, den Konsumenten den Zugang zu staatlichen und nicht profitorientierten Medien zu erleichtern und Oligopole im Medienbereich zu verhindern. Dazu wurden weitere populäre Forderungen erfüllt, wie die freie Übertragung von Fußballwettkämpfen. Das Gesetz begrenzt die Anzahl erlaubter Sendefrequenzen und nur ein Drittel der Lizenzen soll von privaten Firmen genutzt werden.

Nach einem langen Rechtsstreit erklärte der Oberste Gerichtshof Argentiniens das neue Mediengesetz im Herbst 2013 für verfassungskonform. Mittlerweile legte die Konzernführung einen Plan vor, der die Aufteilung von Clarín in sechs unabhängige Einheiten vorsieht, für die in den nächsten 180 Tagen Käufer gefunden werden müssen. Für die zuletzt unter Druck geratene Präsidentin Fernández de Kirchner stellt diese Auf­teilung einen Sieg dar. Dabei betonte der Vorsitzen­de der zuständigen Behörde AFSCA, Martín Sabbatella, es gehe hier nicht darum, die Freiheit privater Unternehmen einzuschränken. Vielmehr werde verhindert, dass Clarín »als ökonomischer und politischer Gigant die öffentliche Meinung manipulieren und die Demokratie in Frage stellen« könne.
Wie erwartet, sahen die Verantwortlichen von Clarín dies anders und griffen in öffentlichen Verlautbarungen weiterhin die Regierung an: Sabbatellas Aussage sei ein Beweis für »seinen Mangel an Unabhängigkeit und seine Intoleranz gegenüber den wenigen Medien, die die politische Macht nicht kontrolliert«, und belege »das offi­zielle Ziel, die wenigen unabhängigen Kräfte zu schwächen«.
Die Auseinandersetzung zwischen regierungskritischen Massenmedien – zu denen neben Clarín zum Beispiel auch die konservative Tageszeitung La Nación gehört – und der Regierung geht also weiter. Sie offenbart auf die Gräben, die sich zwischen Befürwortern und Gegnern des Kirchnerismo auftun, und die Polarisierung der gesamten Medienlandschaft. Fast alle Zeitungen, Magazine und Radio- und Fernsehsender in Argentinien wie in Lateinamerika können eindeutig bestimmten politischen Lagern zugeordnet werden. Ein von Parteiinteressen unabhängiger Journalismus ist genauso selten wie eine wirklich unabhängige Justiz.
Diese Abhängigkeit von politischer Einflussnahme macht es noch schwieriger, innerhalb einer beeindruckenden Vielfalt an politischen Akteuren und stetig wechselnder Bündnisse den Überblick zu bewahren. Dies wird sich angesichts des 2015 bevorstehen Endes der Amtszeit Fer­nández de Kirchners sogar noch verstärken. Nachfolgekämpfe, auch im eigenen Lager, stehen bevor. Hier können nicht profitorientierte, lokale Medien wie die zahlreichen Stadtteilradios eine wichtige Rolle einnehmen – solange diese sich nicht allein an der Frage der Unterstützung oder Gegnerschaft zur Präsidentin abarbeiten. Inwiefern diese Medien vom neuen Mediengesetz pro­fitieren können, wird sich erst noch zeigen.

Abgesehen von den innenpolitischen Folgen wirkt sich die Neuordnung der argentinischen Medienbranche auch auf den ganzen amerikanischen Kontinent aus. Die Macht einzelner Medienkonzerne ist auch in anderen lateinamerikanischen Staaten unübersehbar. So sind es beispielsweise in Brasilien die Konzerne Globo und SB und in Mexiko Televisa and TV Azteca, die auf ihren Heimmärkten dominieren und oftmals durch populistische Sendeformate auffallen. Konservative Kandidaten können auf verbündete Medienkonzerne zählen, so dass es im Interesse linker Regierungen ist, Meinungsvielfalt zu ­fördern.
Sowohl der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit, Frank William La Rue, als auch internationale Journalistenverbände befürworteten die Neuordnung des argentinischen Medienmarkts. Der bereits vier Jahre alte Gesetzestext ist also eine gute Nachricht für die Meinungsvielfalt und könnte als Vorbild dienen. Dies hängt aber auch von der Öffentlichkeit ab, die diese Medien konsumiert und die die Implementierung der neuen Gesetze kritisch zu begleiten hat.