Alternative Energie in Bolivien

Bunter kochen

In Bolivien setzen sich verschiedene NGOs für die Nutzung alternativer Energien und raucharmer Herde ein.

»In Tiraque, meinem Dorf, haben früher fast alle Familien mit offenem Feuer oder rußenden Herden gekocht. Das ist heute vorbei, denn nun gibt es einfache Alternativen«, sagt Guadalupe Tarrico. Die junge indigene Bolivianerin ist eine der Multiplikatorinnen von Cedesol, einer kleinen Nichtregierungsorganisation in Cochabamba. Die NGO unterstützt kleine ländliche Gemeinden bei der Wahl ihrer Kocher und berät sie über den Einsatz von Energie und zu Umweltschutz und Entwicklung. Denn traditionell wird in den Dörfern rund um Cochabamba über offenem Feuer gekocht. »Das führt allerdings zu brennenden Augen und schmerzenden Lungen«, sagt Tarrico. Sie kennt die Klagen ihrer Großmutter und Mutter. Erst seit die ersten alternativen Herde in Tiraque im Einsatz sind, findet ein Umdenken statt.

Nach und nach haben viele der Familien auf die kleinen Kocher mit zwei Kochplatten umgestellt, die nur wenig Feuerholz benötigen und über einen Schornstein verfügen, der den Rauch ableitet. Ein Fortschritt im Vergleich zu den aus Lehm und Schamottesteinen gebauten offenen Herden, die sonst benutzt werden und dafür sorgen, dass die Wände der Lehmhütten tiefschwarz von Ruß sind. Weniger Holzverbrauch, mehr Komfort beim Kochen und kein Rauch in der Hütte, das sind die Vorteile des unscheinbaren Herdes, der von David E. Whitfield entwickelt und immer wieder verbessert wurde. Der US-Amerikaner aus Key West lebt seit 23 Jahren in Peru und hat 2003 Cedesol gemeinsam mit gleichgesinnten Bolivianern ins Leben gerufen. Die NGO bietet seitdem effizientere Herde in den Dörfern rund um Cocha­bamba an und hat eine ganze Reihe von Schulen damit ausgestattet. Das sei sinnvoll, denn 1,4 Millionen Haushalte in Bolivien kochen mit Feuerholz und der Einsatz der Herde in den Schulen mache diese Technik populär, so Whitfield. Er hat lange mit Schamottesteinen, Blechen und Rohren experimentiert, bis es ihm gelungen ist, Hitze und Rauch so zu lenken, dass die Herde sehr effektiv arbeiten.
»Schon mit ein paar kurzen trockenen Ästen lässt sich eine Suppe für die Kinder kochen«, erklärt Marina Soto Morales. Sie ist die Schulköchin in La Viña, einem kleinen Dorf rund 62 Kilometer entfernt von Cochabamba. Jeden Tag kocht sie das Essen für die 108 Kinder der Schule und ist überaus zufrieden. »Das Essen ist viel schneller fertig, weil Töpfe über der Herdplatte viel schneller und gleichmäßiger heiß werden als über dem offenen Feuer, und es qualmt einfach nicht mehr, weil wir einen Schornstein haben, über den der Rauch abgeleitet wird«, sagt Soto Morales. Sie hätte am liebsten auch zu Hause so einen fixen Kocher. 200 Bolivianos, umgerechnet rund 20 Euro, kostet das Modell und Whitfield pocht darauf, dass die Herde nicht gratis abgegeben werden. »Alles, was gratis ist, hat keinen Wert«, fasst er seine Erfahrungen zusammen. Einige Tausend Kocher sind mittlerweile verkauft, und im Laufe der Jahre hat er den Preis für die Kocher, die rund 15 Jahre halten, dank internationaler Unterstützung um die Hälfte senken können. »Jeder Herd reduziert die CO2-Emissionen um rund 3,5 Tonnen im Jahr und wir erhalten pro reduzierter Tonne acht Euro vergütet«, erklärt er.
Diese kommen von der Schweizer Stiftung My Climate, die zu den führenden Anbietern von sogenannten freiwilligen Kompensationsmaßnahmen gehört. Sie betreibt und unterstützt weltweit rund 30 Klimaschutzprojekte. Dazu gehört auch die NGO Cedesol, die neben effektiven Holzherden auch Solarkocher herstellt. Whitfields Kollegin Ruth G. Saavedra hat die Solarherde entwickelt, die in einer kleinen Fabrik am Rande von Cochabamba aus Holz, Glas und Edelstahl hergestellt werden. Es sind gedämmte, bunt lackierte, mit einer Glasklappe versehene und mit Edelstahl ausgekleidete Holzboxen, in denen die Töpfe mit dem Essen auf bis zu 180 Grad Celsius erhitzt werden können – je nach Einfallswinkel der Sonne. »Und das klimaneutral und zuverlässig«, erklärt Saavedra lächelnd. Zumindest in Cochabamba, wo die Sonne selbst in der Regenzeit regelmäßig scheint.

Deshalb stehen in der Region um die viertgrößte Stadt Boliviens die bunten Hitzekisten neben so mancher Eingangstür. Rund 9 000 Solarkocher wurden bisher über Cedesol und die kleine Fabrik »Sobre La Roca« verkauft, die Produktionskosten liegen bei rund 500 Bolivianos (etwa 50 Euro). »Das ist für eine einfache Familie auf dem Land nach wie vor eine beachtliche Investition, aber die Menschen fangen an zu überlegen«, sagt Miguel Fernández von der NGO Energética. Sie ist derzeit Boliviens wichtigste nichtstaatliche Organisation, die alternative Energien fördert, und berät kleine Haushalte wie größere Unternehmen bei der Wahl des Energiekonzepts. Solar­trockner für die schonende Trocknung von Kiwis, die nach Deutschland exportiert werden, und von anderen Früchten hat die NGO ebenso entwickelt wie solarbetriebene Pumpstationen. Aber zum Kerngeschäft gehören nach wie vor Solarpanels für die dezentrale Energiegewinnung und Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung. Während die solare Energiegewinnung eher für kleine Genossenschaften attraktiv sei, weil die Investi­tionskosten recht hoch sind, sei die Heißwasserbereitung über Solarkollektoren schon recht weit verbreitet, so Fernández. Rund 4 000 Einheiten wurden in der Region von Cocha­bamba in den vergangenen Jahren installiert, für die kommenden Jahre rechnet Energética mit weiteren 9 200 Anlagen. »Sie können eine Kapazität von 150 Litern, aber auch mehreren Hundert Litern haben. Je nachdem, ob eine Schule, eine kleine Genossenschaft oder ein Privathaushalt nachrüsten lässt«, erklärt der Ingenieur Fernández. Er gehört zu den Fachleuten für nachhaltige Energienutzung in Bolivien und verweist darauf, dass die Regierung von Präsident Evo Morales mit einem Kreditprogramm den Ausbau der Heißwasserbereitung über Sonnenkollektoren unterstützt. Ziel der Regierung ist es, bis 2025 die gesamte Bevölkerung ans nationale Stromsystem anzuschließen oder durch dezentrale Anlagen zu versorgen.

Ein ehrgeiziges Programm, wobei Bolivien auch auf alternative Energiequellen setzen will und nicht nur auf das heimische Erdgas, das den Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre getragen hat. »Zwei Windkraftanlagen in Qollpana sind installiert, die Planung für ein Geothermiekraftwerk in der Nähe des Salzsees von Uyuni läuft«, sagt Marcela Fernández, der Kommunikationsverantwortliche von Energética. Potential sei vorhanden, so die Energieexperten. Doch während bei den großen Projekten der Staat vorangehen muss, da die Investitionsvolumen die Etats der privaten Haushalte übersteigen, ist der Effekt von Kleinanlagen zur Energiebeschaffung und Warmwasserbereitung durchaus relevant. Allein die Einsparung von CO2 durch die geplante Installation der bereits erwähnten 9 200 Sonnenkollektoren beläuft sich nach Berechnungen von Fernández auf rund 35 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Ein positiver Effekt, der sich rechnen kann, wenn Verträge mit internationalen Anbietern von freiwilligen Kompensationsmaßnahmen wie My Climate zustande kommen. »So lassen sich zum Beispiel die Installationskosten ­reduzieren oder zusätzliche Projekte initiieren«, sagt Fernández, der gerade in La Paz war, um für das Modell bei der bolivianischen Regierung zu werben. »Wir hier in Cochabamba, aber auch in anderen Regionen Boliviens, verfügen über eine Sonneneinstrahlungsquote, die aufgrund der Höhe eine extrem hohe Auslastung der Panels garantiert. Da sollten wir verstärkt ansetzen«, so der Energieexperte. Ob sich die bolivianische Regierung dafür engagiert, wird sich bald zeigen. Neue Förderprogramme sollen konzipiert werden. Vielleicht gibt es dann auch Zuschüsse für die bunten Solarkocher.