Islamisten wollen Frauen im Irak entrechten

Heirat mit neun

Im Irak droht eine Konfessionalisierung des Zivilrechts.

In ihrem Programm erklärt die eng mit dem iranischen Regime verbundene schiitische Partei Fadhila, sie glaube an die Prinzipien der Demokratie im Irak, solange diese nicht der Sharia widersprächen. Was das konkret heißt, demons­trierte sie kürzlich mit einem Gesetzesvorschlag, den das irakische Kabinett abgesegnet hat und der nun dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden soll.
Wie in fast allen von Islamisten entworfenen Gesetzesnovellen geht es um die Entrechtung von Frauen und Mädchen. Da die Fadhila treu der in der Shia dominanten jaafarischen Rechtsschule folgt, fordert sie die Herabsetzung des Heiratsalters von Mädchen auf neun Jahre, denn so alt war Mohammeds Lieblingsfrau Aisha, als der Prophet mit ihr »die Ehe vollzog«. Außerdem soll Vergewaltigung in der Ehe legalisiert und Scheidung für Frauen verunmöglicht werden, außer sie können Impotenz ihres Mannes nachweisen. Ist die Ehefrau zu jung oder zu alt, um ihrem Mann sexuell zu Diensten zu sein, soll dieser von seiner Unterhaltspflicht befreit werden. Insgesamt 254 auf Lehren des Imam Jaafari gestützte Paragraphen enthält das Machwerk, mit dem künftig das Leben der irakischen Schiitinnen und Schiiten reguliert werden soll.
Äußerst fraglich ist, ob das irakische Parlament, das am 30. April neu gewählt wird, diesem Entwurf zustimmen wird. Nach Bekanntgabe des Gesetzesvorschlags kam es nicht nur im Ausland, sondern auch im Irak zu einem Aufschrei von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen. Schließlich verstößt er gegen jede der internationalen Frauen- und Kinderrechtskonventionen, die in den vergangenen Jahrzehnten verabschiedet und auch vom Irak ratifiziert wurden. Das kümmert die Fadhila-Partei allerdings wenig: Indem sie sich auf eine umstrittene Formulierung in der irakischen Verfassung beruft, die besagt, Irakis seien frei, ihren zivilrechtlichen Status nach den Vorgaben ihrer jeweiligen Konfession zu regeln, versucht sie, diese geplante Entrechtung von Frauen als verfassungskonform darzustellen.
Zementiert werden soll damit nicht nur die legale Inferiorität und sexuelle Verfügbarkeit von Mädchen und Frauen, sondern zudem eine religiös determinierte Ungleichheit der Irakis vor dem Gesetz. Ginge es nämlich nach dem Willen islamischer Parteien und der ihnen verbundenen Kleriker, so gälte nicht ein Gesetz für alle irakischen Bürgerinnen und Bürger, wie seit Jahren vor allem von Frauenrechtlerinnen gefordert, sondern jeder müsste den jeweiligen Vorschriften seiner Religion beziehungsweise religiösen Rechtsschule Folge leisten. Aus diesem Grund scheinen auch kurdische Kabinettsmitglieder den infamen Gesetzesvorschlag durchgewunken zu haben, schließlich hätten die Regelungen für sie als Sunniten keine Geltung. Das kurdische Regionalparlament hatte sogar gegen den Willen einflussreicher Kleriker im Sommer 2011 eines seiner bislang fortschrittlichsten Gesetze verabschiedet, in dem alle Formen von Gewalt gegen Frauen und Kinder unter Strafe gestellt und auch Ehen mit Minderjährigen verboten wurden.
Sollte die Fadhila mit ihrem Vorstoß Erfolg haben, wäre dies nicht nur ein Rückschlag für Frauen im Irak, sondern außerdem der Beginn eines rein auf Konfessionen ausgerichteten Zivilrechts, das die Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Irak vertiefen und den Einfluss des Klerus auf Kosten des Parlaments stärken würde.