Rechte Hetze und Angriffe gegen Migranten

Wenn der Hass erwacht

Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien bestreiten den Wahlkampf für die anstehenden Europa- und Kommunalwahlen mit rassistischen Parolen. Migranten und Asylsuchende werden immer häufiger angegriffen.

Jedes Jahr beobachten Menschenrechtsorganisationen den Trend, dass mit steigenden Temperaturen die gewalttätigen Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte zunehmen. In diesem Jahr kommt hinzu, dass die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien im Rahmen der Europa- und Kommunalwahlen in elf Bundesländern ihren Wahlkampf auf die »Zuwanderung in die Sozialsysteme« und die »Asylflut« konzentrieren. So werden Asylsuchende und Migranten derzeit deutschlandweit zur Zielscheibe rechter Hetze. Die Nichtregierungsorganisationen Pro Asyl und die Amadeu-Antonio-Stiftung rufen deshalb dazu auf, »rassistischer Stimmungsmache im Europa- und Kommunalwahlkampf entgegenzutreten und Flüchtlinge zu schützen«. Dass die Hetze brandgefährlich werden kann, »wenn sie nicht rechtzeitig auf entschiedenen Widerstand stößt«, zeigen die Ereignisse der vergangenen Wochen deutlich.
Mitte März veranstalteten einige Gegner des Flüchtlingsheims in Berlin-Hellersdorf eine regelrechte Hetzjagd auf zwei jugendliche Flüchtlinge. »Die beiden Männer wurden nach ihrer Darstellung vom U-Bahnhof an von circa 15 Leuten verfolgt, bedroht und mit Flaschen beworfen«, berichtet der Bezirksverordnete Klaus-Jürgen Dahler (Linkspartei). Die beiden hätten sich in das Heim retten können und blieben unverletzt, aber »natürlich sind sie jetzt verängstigt«. Kurz nach Mitternacht flogen Bierflaschen auf das Flüchtlingsheim und eine Gruppe von mindestens sechs Männern versuchte, in das Heim einzudringen. Gerade noch rechtzeitig gelang es dem Wachschützer sowie einem Bewohner, die Tür zu verschließen. Erst 20 Minuten später erschien die Polizei.
Zwei Tage später zündeten Unbekannte das Auto einer Unterstützerin der Initiative »Hellersdorf hilft« an. Die katholische Seelsorgerin hatte die Flüchtlinge immer wieder mit Hilfsgütern versorgt, dabei sei sie auch fotografiert worden. Die Rechten hätten sich ihr Kfz-Kennzeichen notiert. Die Brandermittler der Polizei gehen davon aus, dass das Feuer nicht auf einen technischen Defekt zurückzuführen ist, sondern gelegt wurde, womit ein gezielter, politisch motivierter Anschlag sehr wahrscheinlich ist. Für den Fraktionsvorsitzenden der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus, Oliver Höfinghoff, ist diese Entwicklung »keineswegs überraschend, sondern hat sich vielmehr schon vor Bezug des Flüchtlingsheims abgezeichnet«. Er fordert, dass »der Senat endlich den Ernst der Lage erkennen und entsprechend handeln« müsse.
In der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Merseburg wurden innerhalb von einer Woche drei Migranten bedroht, verprügelt und ausgeraubt. »Neger, was willst Du hier. Raus aus Deutschland«, riefen die Täter, die einen Somalier am 20. Februar im Merseburger Bahnhof verprügelten. Dabei schlugen sie seinen Kopf brutal gegen eine Wand. Vier Tage später, in einer Bahnunterführung, wurde ein Algerier Opfer eines Raubüberfalls. Der mutmaßliche Täter ist gefasst, ein rassistisches Motiv wird bisher nicht ausgeschlossen. Am Abend des 26. Februar bedrohten drei Männer einen Afrikaner mit einem Teppichmesser, zeigten den Hitlergruß und pöbelten: »Neger, geh zurück in Dein beschissenes Land.« Als daraufhin Personen aus dem Büro des Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel (Grüne) eingriffen, kam es zum Handgemenge, bei dem das Opfer die Flucht ergreifen konnte. Die herbeigerufene Polizei nahm wenig später eine neunköpfige Gruppe Neonazis zwischen 18 und 22 Jahren aus Merseburg und dem Saalekreis vorläufig fest.
Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung galt die Region um Merseburg im südlichen Saalekreis bislang nicht als Schwerpunkt von Neonazis. 29 Überfälle Rechtsextremer verzeichnet die mobile Opferberatung des Vereins »Miteinander« seit 2008 für den Saalekreis  – die meisten fanden im Süden, in Merseburg, Mücheln oder Bad Dürrenberg statt. Davon geschahen jedoch allein 17 in den vergangenen beiden Jahren. Grund dafür sei eine Neonaziszene, »die mit wahnsinnigem Selbstbewusstsein« auftrete, berichtet David Beg­rich. Der Mitarbeiter von »Miteinander« geht davon aus, dass die Szene sich äußerlich nicht unterscheide »von dem, was in anderen Kleinstädten Ostdeutschlands los ist, aber deutlich aggressiver« sei.
Im Zusammenhang mit einem versuchten Tötungsdelikt am 10. März in Mainz sucht die Po­lizei noch dringend Zeugen. Während einer Busfahrt gerieten ein 57jähriger Mann aus Idstein und ein 28jähriger Mann angolanischer Abstammung aus Mainz in einen heftigen Streit. Zu Handgreiflichkeiten kam es beim Aussteigen aus dem Bus, dabei attackierte der 57jährige sein Opfer mit einem Messer und verletzte es lebensbedrohlich. Bei einer Mahnwache, die zwei Tage nach dem Angriff stattfand, teilte der Veranstalter unter Berufung auf mehrere anonyme Zeugen mit, der Täter habe den jungen Mann bereits rassistisch beleidigt, bevor er mit dem Messer auf ihn eingestochen habe. Bei seiner Festnahme soll er zudem gerufen haben, er hasse alle Ausländer. Der 28jährige wurde operiert und ist nach Auskunft der Ärzte außer Lebensgefahr.

Wie erfolgreich die lokale Revierverteidigung mit harter Hand sein kann, zeigt das Beispiel Duisburg-Rheinhausen. Hier sorgte ein Mietshaus, in dem Roma-Familien aus Osteuropa ein neues Zuhause gefunden hatten, für viele Schlagzeilen sowie unerträgliche rassistische Hetze. Am Ende der unzähligen Anstrengungen, die als »Problemhaus« stigmatisierte Unterkunft loszuwerden, begleitet von Demonstrationen rechts­populistischer und rechtsextremer Parteien, Versammlungen der örtlichen Bevölkerung und dem ständigen Druck der kommunalen Verwaltung, stand das erwartbare Ergebnis: Die Roma mussten gehen.
»Zum katastrophalen Schluss dieser für die Betroffenen leidvollen Geschichte bilden Stadt und Eigentümer, gewollt oder nicht gewollt, eine politisch wie menschlich stark zu verurteilende Allianz, in der sich die Stadt aus der Verantwortung für die zugewanderten Menschen zieht«, konstatiert das »Duisburger Netzwerk gegen Rechts«. Wie sonst nur bei Immobilien von Neonazis, bot die Stadt Duisburg dem Eigentümer des Hauses einen kommunalen Ankauf an. Als Voraussetzung nannte die Stadt die schnelle Freisetzung der Bewohner, obwohl es dem Anwalt zufolge keinerlei rechtliche Handhabe gab, den Bewohnern vor Anfang 2015 die Mietverhältnisse zu kündigen. Mitte März jedoch waren die ehemaligen Bewohner verschwunden.
Der derzeitige Aufenthaltsort der Roma ist unbekannt. Da es sich nicht um Asylbewerber handelt, fühlt sich die Stadt für die Unterbringung nicht zuständig. Sozialdezernent Reinhold Spaniel (SPD) äußerte gegenüber einer Lokalzeitung, dass man auf die »Mobilität der Betroffenen« setze. Alle Versuche durch die Unterstützer der ehemaligen Mieter, adäquaten Wohnersatz zu finden, stoßen auf Widerstand. Potentielle Vermieter waren nicht bereit, neue Mietverträge abzuschließen. Nach bisherigen Informationen sind die Kinder aus den Schulen abgemeldet worden und ein Großteil der Betroffenen hält sich nicht mehr in Duisburg auf. Viele soll es nach Dortmund und Hamburg verschlagen haben.