Die Krise in den israelisch-palästinensischen Verhandlungen

Kein Bienchen für Obama

Die Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Führung sind wieder einmal in eine Krise geraten. Auf dreiste Forderungen der palästinensischen Seite hat Israel mit der Beendigung einiger Kooperationen reagiert.

Die von US-Außenminister John Kerry vorangetriebenen »Nahost-Friedensgespräche« waren vor allem im Interesse der USA. Präsident Barack Obama hatte in seiner Rede an der Kairoer Universität 2009 versucht, die Muslime und die Araber zu umwerben. Doch er redete so viel Unsinn, dass er Spott erntete. Mit der erstmaligen Erklärung, dass die israelischen Siedlungen »illegal« seien und nicht nur ein »Hindernis« für den Frieden, hatte er Verhandlungen zur Siedlungsfrage ausgeschlossen. Dass die USA den »arabischen Frühling« nicht voraussahen, Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak fallenließen, verkündeten, der Einsatz von Giftgas in Syrien stelle eine »rote Linie« dar, und taktische wie strategische Fehler begingen, führte zu einem Vertrauensverlust bei ihren engsten Verbündeten, von Ägypten über Saudi-Arabien und Israel bis zu den mit Millionenbeträgen subventionierten Palästinensern.
In den USA wie in der EU, wenn nicht der ganzen Welt, wird dem Konflikt zwischen Israel und Palästinensern mehr Gewicht beigemessen, als angesichts seiner Ausmaße rational wäre. Weder die Folgen der Siedlungspolitik noch das Ausmaß an Unterdrückung durch die Besatzung noch die Menschenrechtsverletzungen und die Zahl der Toten auf beiden Seiten lassen sich mit den Zuständen vergleichen, wie sie etwa in einigen arabischen Ländern oder in sonstigen Konfliktgebieten der Welt herrschen. Weder die Mitte-Rechts-Regierung Israels noch die seit 2006 nicht mehr legitimierte Führung der Palästinenser in Ramallah, die durch eine Fehde mit der in Gaza faktisch regierenden Hamas geschwächt ist, glaubt ernsthaft, inmitten des arabischen Tohuwabohus eine tragfähige Lösung aushandeln und verwirklichen zu können. Aber die USA waren von ihrem festen Glauben an Frieden nicht abzubringen und auch nicht davon, ausgerechnet in diesem unlösbaren Konflikt ein Zeichen zu setzen. Ihr Scheitern war programmiert.

Die Palästinenser nutzten die Gunst der Stunde und forderten einen totalen Baustopp in den Siedlungen. Israel gab dem zehn Monate lang statt, ohne dass die Palästinenser die Verhandlungen wieder aufgenommen hätten. Dann erhöhten diese ihre Forderungen an Israel immer weiter und beantragten eine Anerkennung bei der Uno als »Beobachterstaat«. Die USA stornierten daraufhin ihre Beteiligung und die Beitragszahlungen an die Kulturorganisation Unesco. Dann verlangten die Palästinenser die Freilassung von Langzeitgefangenen, darunter Mördern, während Israel seine Siedlungspolitik vorantrieb. Das einzige Zugeständnis der Palästinenser war auf Druck der USA eine Rückkehr zu den Verhandlungen. Ob es tatsächlich Fortschritte gab und Kerry zu Recht optimistisch blieb, wissen nur Eingeweihte, die Gespräche sind nicht öffentlich.
Wer schuld am vorläufigen Scheitern der Verhandlungen war, verrät Kerry nicht. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen Israels und der Paläs­tinenser sollten mit Vorsicht genossen werden. Neu sind jetzt die gegenseitigen Androhungen von Sanktionen und aktiven Verstößen gegen Abmachungen. Israel sagte die Freilassung von 400 Gefangenen wieder ab und provozierte mit einer erneuerten Ausschreibung von »Siedlungen«, die schon im November veröffentlicht worden war. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas übergab der Uno schriftliche Anträge zur Aufnahme »Palästinas« in 15 internationale Konventionen.
Nach einem siebenstündigen Brüllgefecht zwischen Tzipi Livni und Saeb Erekat, den Verhandlungsführern beider Seiten, am Sonntag verkündete die palästinensische Seite neue Bedingungen für eine Fortsetzung der Verhandlungen: Der ­israelische Ministerpräsident Benjamin Netan­yahu müsse sich schriftlich zu einem Rückzug hinter die »Grenzen von 1967« verpflichten, inklusive der Aufgabe Ost-Jerusalems. Darüber ­hinaus gefordert wurden die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Palästinas, die Freilassung von 1 200 Gefangenen, darunter wichtigen Personen wie der Fatah-Politiker und Anführer der Zweiten Intifada, Marwan Barghouti, Yassir Arafats Finanzmanager Fuad Shubaki und der PFLP-Generalsekretärs Ahmad Saadat, ein Ende der Gaza-Blockade, ein Ende der Verhaftungen von Palästinensern, Familienzusammenführung für 15 000 Palästinenser in Israel und vieles mehr. Im Raum steht noch ein Aufnahmeantrag beim Internationalen Gerichtshof, um israelische Politiker und Militärangehörige weltweit als Kriegsverbrecher verfolgen zu können.

Nach dieser »Kernschmelze« des Friedensprozesses und »beleidigenden wie halluzinatorischen« Forderungen«, so israelische Medien, folgten israelische Sanktionen: Absprachen auf hoher Ebene wurden abgebrochen, Steuerabgaben einbehalten, um Strom- und Wasserschulden abzutragen, es wird kein Transfer von Mobilfunktechnologie in den Gaza-Streifen mehr geleistet, die landwirtschaftlicher Entwicklungshilfe wurde gestoppt und es soll keine Baupläne für palästinensische Ortschaften im israelisch kontrollierten C-Gebiet im Westjordanland geben.
Ob das zu einer Dritten Intifada führt, ist fraglich, denn dank der Mauer, des Geheimdiensts und der militärischen Präsenz könnte Israel diese mit Gewalt unterbinden. Aus fast allen Attacken auf Israel sind die Palästinenser am Ende als Verlierer hervorgegangen. Allenfalls schadeten sie dem Ansehen Israels, während auf palästinensischer Seite sieben Mal so viele Menschen starben und die Palästinenser vor den eingemauerten Trümmern ihres künftigen Staates standen. Die Frage ist, wer eigentlich das größere Interesse an erfolgreichen Verhandlungen hat: die Palästinenser, um einen eigenen Staat, ein Ende der Besatzung und Selbstständigkeit zu erlangen, oder ­Israel, um eine korrumpierende Herrschaft über eine meist feindlich gesinnte Bevölkerung zu beenden und in Frieden mit der arabischen Welt zu leben.