Die ökonomischen Folgen der Ukraine-Krise für Russland

Der Agententraum

Das Referendum auf der Krim war offenbar eine Farce. Wie wird sie fortgesetzt?

Es ist richtig dumm gelaufen für Wladimir Putin, wenn der Bericht von Forbes denn stimmt. Demnach wurde auf der Website des »Rats der Zivilgesellschaft und Menschenrechte des russischen Präsidenten« ein Bericht über das Krim-Referendum im März gepostet, wonach die Beteiligung an der Abstimmung bei lediglich 30 Prozent lag. Von diesen habe nur die Hälfte für die Vereinigung der Krim mit Russland gestimmt – also alles in allem 15 Prozent der Bürger der Krim. Die offiziellen Zahlen waren andere: 97 Prozent für die Angliederung an Russland, bei einer Beteiligung von 83 Prozent, also insgesamt 82 Prozent der Krim-Bürger. Der Bericht des Menschenrechtsrats wurde Forbes zufolge zwar umgehend von der Website entfernt, aber ein Ratsmitglied sprach im russischen Fernsehen darüber und meinte, das Votum auf der Krim »diskreditierte Russland mehr, als ein ausländischer Agent zu träumen gewagt hätte«.
Am kommenden Sonntag soll in Donezk und Lugansk ebenfalls ein Referendum abgehalten werden. Da soll es nicht für oder gegen einen Beitritt zur russischen Föderation gehen, vielmehr soll sich die Bevölkerung für oder gegen die Existenz einer »Volksrepublik Donezk« aussprechen. Ob die im Rahmen der Ukraine oder in Russland existieren soll, ist derzeit nicht klar. Es ist etwas still geworden um dieses Referendum. Sollte es abgehalten werden, verspricht es eine weitere Farce. Wie sollte es in den Städten, in denen sporadische Kämpfe stattfinden, organisiert werden? Das weiß niemand. Aber ebenso unklar ist, wie die Präsidentschaftswahl, die am 25. Mai abgehalten werden soll, realisiert werden könnte. Mit dieser will sich die Zentralmacht in Kiew neue Legitimität verschaffen. Aber Putin hat bereits gesagt, er werde diese Wahl nicht anerkennen.
Und die Begeisterung der ukrainischen Bevölkerung für die Präsidentschaftswahl hält sich in engen Grenzen. Nicht nur wegen der eskalierenden Auseinandersetzungen, die im Osten und Südosten der Ukraine immer mehr Menschenleben kosten. Sondern auch, weil seit der sogenannten Revolution von 2004 zehn Jahre »vergeudet« wurden, wie Piotr Smolar von Le Monde Anfang der Woche schrieb, wofür die »orangefarbenen« Kräfte und die Partei von Viktor Janukowitsch zusammen die Verantwortung trügen. Zehn Jahre Raufereien in der Rada, dem ukrainischen Parlament. Zehn Jahre, in denen sich die Korruption auf schreckliche Weise entwickelt habe, insbesondere nach der Wahl von Janukowitsch zum Prä­sidenten im Februar 2010. Das politische Personal sei immer noch das gleiche, die politischen Prak­tiken ebenfalls. Die Hoffnungen des Maidan auf eine Erneuerung seien bereits enttäuscht.
Wirtschaftlich bahnt sich in der Ukraine ein Desaster an, wenn die Gaspreise steigen und Austeritätsmaßnahmen durchgesetzt werden. Noch weniger Zukunft allerdings verspräche eine Angliederung an Russland. Denn das russische Wirtschaftsmodell fußt auf dem Export von Rohstoffen und die Ukraine verfügt über keine, sondern nur über marode Industriestrukturen. Die Kapitalflucht aus Russland hat seit Beginn des Jahres endemische Ausmaße angenommen, der IWF erwartet eine Rezession. Und politisch verspricht eine »gelenkte Demokratie« im Putinschen Sinne erst recht keine Verbesserung.
Das heißt noch lange nicht, dass die Kämpfe in der Ukraine sich nicht fortsetzen. Am Tag des ­Sieges, am 9. Mai, will Putin offenbar auf der Krim eine Militärparade abhalten. Für diesen Tag wird eine weitere Eskalation erwartet.