Platte Buch

Die Wüste lebt

In seinem neuen Roman »Die Synagoge« schildert der deutsch-israelische Autor Chaim Noll das Alltagsleben einer Community in der Wüste Negev zur Zeit der zweiten Intifada. In einem kleinen Wüstenstädtchen leben und arbeiten inzwischen viele junge Akademiker. Sie beschäftigen sich lieber mit Solarenergie und veganer Ernährung als mit Religion und Tradition. Aus ihrer Mitte kommt ein Täter, der in der örtlichen Synagoge eine Tora-Rolle verbrennt. Eine Tat, die große Auswirkungen auf das Verhältnis der Bewohner untereinander hat. Mit genauen Beschreibungen, einer lapidar-präzisen Sprache und großer Menschenkenntnis bildet Noll die israelische Gesellschaft und ihre Konflikte in nuce ab. Ihn interessieren dabei zwei Fragen: Was wirkt trotz all der Unterschiede gemeinschaftsstiftend? Und: Welche Faszination geht von der Wüste aus?
Erzählt wird vom Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Milieus – die einen verstehen sich vor allem als Juden, die anderen als Israelis – vor dem Hintergrund der zweiten Intifada, die im September 2000 begann. Begleitet wird die Handlung von einer Reihe von Attentaten auf israelische Einrichtungen. Die Leute re­agieren mit Ignoranz, Trotz, Solidarität oder Angst. Noll setzt ganz unterschiedliche Erfahrungen und Erinnerungen miteinander in Beziehung und ermöglicht immer neue Perspektiven auf das Geschehen. Es entsteht das Bild einer heterogenen, äußerst lebendigen Gesellschaft.

Chaim Noll: Die Synagoge. Verbrecher-Verlag, Berlin 2014, 448 Seiten, 29 Euro