Ägypten vor der Präsidentschaftswahl

Wahl ohne Kampf

In Ägypten soll ein neuer Präsident gewählt werden. Doch Konkurrenz hat General Abd al-Fattah al-Sisi kaum.

Kaum jemand in Ägypten glaubt, dass General Abd al-Fattah al-Sisi die Präsidentschaftswahlen in Ägypten am 26. und 27. Mai verlieren könnte. Am allerwenigsten offenbar die Organisatoren seiner eigenen Kampagne: auf die Veröffentlichung eines Wahlprogramms wurde verzichtet. Es würde unnötige Debatten auslösen und sei für weite Teile der Öffentlichkeit ohnehin zu schwer zu verstehen, ließen sie verlauten. Ebenso wurde ein Fernsehduell mit al-Sisis einzigem Kontrahenten, dem linksnasseristischen Kandidaten Hamdeen Sabahi, abgelehnt.
Der Personenkult um al-Sisi soll seinen Wahlsieg besser als Fakten und Argumente sichern. Sein Image als starker und zugleich rechtschaffener Volkspatron wurde über Monate hinweg von den staatsnahen Medien aufgebaut. Doch mittlerweile wurde sein entrückter Wahlkampf selbst von dem Regime nahestehenden Medienleuten kritisiert. Der Moderator der größten Talkshow im Staatsfernsehen, »Ala Ism Masr« (»Auf den Namen Ägyptens«), ließ verlautbaren: »Dies ist kein Land, das eine demokratische Übergangsphase nach einer Revolution erlebt.«

Die Opposition gegen al-Sisi ist zerstritten, etwa in der Frage, ob eine Teilnahme an der Wahl die richtige strategische Entscheidung ist. Auf der einen Seite stehen die Islamisten, die nach dem blutigen Durchgreifen der Sicherheitskräfte, den Massenverhaftungen und willkürlichen Gerichtsprozessen zwar nicht mehr über dieselbe orga­nisatorische Stärke verfügen, aber nach wie vor einen großen Teil der Bevölkerung ansprechen. Unter den Islamisten ist ein Boykott der Wahl weitestgehend Konsens. Sabahi ist erklärter Gegner der Muslimbrüder und damit für die Islamisten keine Alternative. Hinzu kommt die weitverbrei­tete Ansicht, dass eine Teilnahme an der Wahl der in den Augen der meisten Islamisten »illegitimen Putsch-Regierung« demokratische Legitimität verleihen würde.
Komplizierter sieht es bei jenen Linken und Liberalen aus, die die Kandidatur al-Sisis ablehnten. Sechs politische Gruppen, darunter die kürzlich verbotene »Bewegung 6. April«, die Revolutionären Sozialisten und linke Studierendengruppen, schlossen sich vor kurzem zu einer Bewegung namens »Dodak« (»Gegen dich«) zusammen, um der Opposition gegen al-Sisi eine Stimme zu geben. Sie werfen ihm vor, die revolutionären Ziele endgültig zu zerstören und die alten korrupten Machteliten zu schützen. Mit einem Wahlsieg al-Sisis sei die endgültige Restauration der vorrevolutionären Machtverhältnisse besiegelt.

Gespalten bleibt die linke und liberale Opposition jedoch in der Frage, ob die Stimmabgabe für Sabahi die richtige Entscheidung ist. Für die Befürworter eines Boykotts ist das Ergebnis ohnehin schon ausgemacht, das, wenn nötig, mit einer Manipulation der Stimmen garantiert werde. Zudem werfen sie Sabahi vor, seit der Machtübernahme der Armee am 3. Juli vergangenen Jahres. Durch seine Kandidatur liefere er das Feigenblatt für eine Wahl, die einer Farce gleichkomme. Bestätigung für ihre Haltung fanden die Befürworter eines Boykotts in der Verkleinerung der europäischen Wahlbeobachtungsmission. Diese hatte zwar eine Genehmigung zur Beobachtung erhalten, jedoch keine zur Einfuhr von dazu notwendigem technischen Material, wodurch die Mission auf ein kleines Beobachtungsteam in Kairo schrumpfte.
Die Unterstützer Sabahis halten eine Teilnahme an der Wahl trotz aller Unregelmäßigkeiten und trotz des vorhersehbaren Ergebnisses für notwendig. Ein Boykott würde die demokratischen Kräfte zur Passivität verdammen, schreibt Ammar Nouh auf der unabhängigen Nachrichtenseite Mada Masr. Die Teilnahme sei notwendig, um ein eigenes Programm zu entwickeln und der Öffentlichkeit politische Alternativen zu präsentieren. »Der demokratische Block muss sich am politischen Prozess beteiligen – trotz all seiner derzeitigen Düsternis – aus dem einfachen Grunde, weil wir für unsere Rechte kämpfen und die politische Landschaft Ägyptens offen halten müssen«, so Nouh.