Die Folgen der Wahlen für Griechenland

Notausgang links

Zum ersten Mal hat eine linke Partei in Griechenland die Europawahlen gewonnen. Die neonazistische Partei Chrysi Avgi kam auf den dritten Platz.

Mehr als 26,5 Prozent der Stimmen erhielt am vergangenen Sonntag die linke Partei Syriza bei den Europawahlen in Griechenland. Die konservative Regierung habe nicht mehr die politische und moralische Legitimation, weitere Sparmemoranden zu beschließen, betonte Alexis Tsipras, der Vorsitzende Syrizas, und forderte so bald wie möglich Neuwahlen. Es müsse eine demokratische, fortschrittliche und patriotische Allianz gebildet werden, die die kommenden Wahlen mit absoluter Mehrheit gewinnen könne, sagte er.
Die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia landete mit 22,8 Prozent an zweiter Stelle. Die Europawahl war der erste große Test für die Regierung von Antonis Samaras, die seit zwei Jahren im Amt ist. Innenpolitisch war sie deshalb eine Art Referendum über den von den Gläubigern geforderten Reformkurs, den er gehorsam verfolgt. An dritter Stelle stehen die Neonazis von Chrysi Avgi mit mehr als neun Prozent und entsenden damit drei Abgeordnete ins Europarlament. Die einst mächtige sozialdemokratische Pasok, die mit der Wahlplattform Elia in die EU-Wahlen gegangen war, kam auf 8,1 Prozent, mehr als erwartet. Die neue Mitte-Links-Partei To Po­tami des Fernsehjournalisten Stavros Theodorakis schaffte es auf mehr als 6,5 Prozent. Der einstige Juniorpartner der Regierung Samaras, die linksgerichtete Dimar, erlitt große Verluste und bekam nur 1,2 Prozent. Die Kommunistische Partei ging mit mehr als sechs Prozent gestärkt aus den Wahlen hervor und die konservativen Unabhängigen Griechen fielen auf 3,4 Prozent.

Die nächste Parlamentswahl steht turnusmäßig 2016 an. Beobachter gehen davon aus, dass Syriza die für 2015 anstehenden Präsidentschaftswahlen im Parlament blockieren wird, was zu einer Auflösung des Parlaments führen und Neuwahlen zur Folge haben würde. Doch Umfragen zufolge wünscht die Mehrheit der Griechinnen und Griechen keine Neuwahlen, sie scheinen genug von der Politik zu haben. Aber die Koalition von Nea Dimokratia und Pasok wackelt. Sie hat nur noch eine Mehrheit von zwei Sitzen im Parlament und muss noch viele Sparmaßnahmen durchsetzen.
Samaras stellte ein paar Tage vor den Wahlen einen nationalen Entwicklungsplan vor, der unter anderem die Schaffung von 770 000 neuen Jobs bis 2020 sowie Steuersenkungen vorsieht. Doch es ist zweifelhaft, wie dies in den nächsten sechs Jahren erzielt werden kann in einem Land, in dem die Staatsverschuldung mittlerweile rund 175 Prozent des Bruttoinlandprodukts beträgt, das in einer Rezession steckt und das die nächsten Jahre wenig Aussicht auf Wachstum hat.
»Vielleicht meint Samaras, er werde Arbeitsstellen schaffen mit 200 Euro Monatsgehalt«, sagt Eleni L., eine 40jährige Arbeitslose. Sie hat ihre Stimme Syriza gegeben, obwohl sie nicht vollkommen überzeugt ist, dass das Linksbündnis wirklich Lösungen für einen Ausweg aus der Krise hat. Trotzdem sei es für sie die einzige Hoffnung. »Es ist so, als ob wir uns in einem Tunnel befinden und wir in Lebensgefahr sind. Und dann ist plötzlich ein Notausgang zu sehen. Jeder vernünftige Mensch würde sich für den Notausgang entscheiden«, meint sie.

Dass sich auch immer mehr Griechinnen und Griechen sowohl bei den Kommunal- und Regionalwahlen am 18. und 25. Mai als auch bei der Europawahl für Chrysi Avgi entschieden haben, zeigt, wie sehr sich die griechische Gesellschaft radika­lisiert hat. Der Bürgermeisterkandidat der Partei in Athen, Ilias Kasidiaris, erhielt am 18. Mai mehr als 16 Prozent der Stimmen. Er verpasste den Einzug in die zweite Wahlrunde, konnte aber den Stimmenanteil der Partei in Athen im Vergleich zur Wahl 2010 enorm steigern, obwohl deren Parteispitze, Abgeordnete und Funktionäre seit Monaten strafrechtlich verfolgt werden. Die populäre griechische Band Electric Litany sagte in Piräus und Volos Konzerte ab wegen der dortigen Stimmengewinne der Partei. »Die Mehrheit der Bürger in diesen beiden Städten verdient das Mittelalter, das sie gewählt hat. Jede Stimme für die Nazis ist ein Messer«, so die Band in einer Mitteilung.