Proteste gegen die Monarchie in Spanien

Wer braucht schon Könige?

Der Abdankung von Juan Carlos I. von Spanien folgen republikanischen Proteste gegen die von Diktator Franco wieder eingesetzte Monarchie.

Juan Carlos war so lange im Amt, wie die Monarchie in Spanien wieder Staatsform ist. Nachdem der Diktator Franco Ende 1975 an Altersschwäche gestorben war, wurde, wie von ihm angeordnet, Juan Carlos als König eingesetzt – Staatschef und oberster Befehlshaber der Armee war er bereits, seit Franco 1973 immer hinfälliger geworden war. Eine Woche nach der Europawahl erklärte am Vormittag des 2. Juni ein sichtlich aufgeregter Ministerpräsident Mariano Rajoy, Juan Carlos würde in den nächsten Stunden als König zugunsten seines Sohnes abdanken, der in den nächsten sechs Wochen als Felipe VI. von Spanien inthronisiert werden solle. Die Abdankungserklärung von Juan Carlos war knapp, er verlor kein Wort zur seit Jahren anschwellenden Kritik an den Skandalen der Königsfamilie und zur Legitimationskrise der Monarchie.
Die Verluste der beiden großen promonarchistischen Parteien, der sozialdemokratischen PSOE und des konservativen PP, bei den Europawahlen vom 25. Mai waren erheblich: Statt wie gewohnt über 80 bekamen sie zusammen nur 48 Prozent der abgegebenen Stimmen. Nach sieben Jahren Wirtschaftskrise und radikaler Austeritätspolitik, mit der ein rabiater Abbau des Sozialstaates und der Rechte der Lohnabhängigen einherging, nehmen die Proteste auf Straßen und Plätzen trotz des oft aggressiven Auftretens der Polizei keineswegs ab.
Die staatlichen Institutionen sind in einer Legitimationskrise. Ausdruck der Delegitimierung des Königshauses sind die seit vier Jahren andauernden Ermittlungen im Fall Nóos. Vor der schweren Krise, vor 2008, wäre es undenkbar gewesen, dass ein Ermittlungsrichter gegen eine Tochter des Königs Juan Carlos eine Untersuchung beginnt. »Das Regime von 1978 erodiert immer stärker, alle seine Institutionen sind geschwächt, so die Meinungsumfragen: Parteien, Gewerkschaften, Richter, Medien und die Monarchie«, sagt Daniel Ripa vom radikalen linken Zeitungskollektiv Diagonal. »Die Korruptionsskandale der Infantin Cristina und von Urdangarín und die Abdankung von Juan Carlos zeigen es deutlich, aber es begann früher.«

Nahezu euphorisch bewertet Ripa die Bedeutung der Bewegung der Indignados: »Vor dem 15. Mai hätte kein Richter Infantin Cristina angeklagt, kein Medium hätte darüber berichtet. Dafür muss man sich nur den Druck anschauen, dem der Richter Castro jetzt ausgesetzt ist.« Castro hat seine Ermittlungen vorige Woche dem Gericht auf Mallorca zur Anklage vorgelegt. Das 167 Seiten umfassende Ermittlungsergebnis stellt fest, dass der Herzog von Palma Iñaki Urdangarín und seine Ehefrau, die Infantin Cristina, über die ihnen beiden gehörende Firma Nóos sechs Millionen Euro von den konservativen Regierungen der Regionen Balearen und Valencia erhalten hätten, ohne dafür angemessene Gegenleistungen erbringen zu müssen. Einen großen Teil des Geldes hätten sie auf die ihnen ebenfalls gehörende Briefkastenfirma Aizoon transferiert und für private Zwecke ausgegeben. Die mit einer beeindruckenden Beweisfülle belegten Vorwürfe lauten auf Steuerhinterziehung, Zweckentfremdung öffentlicher Gelder, Dokumentenfälschung – insgesamt 25 Delikte. Dass es zum Prozess kommt, ist aber nicht sicher. Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft untersteht der Zentralregierung in Madrid und am Freitag sagte der konservative Ministerpräsident Rajoy, es sei »mein Wunsch und meine Überzeugung«, dass sich »die Unschuld von Doña Cristina erweisen werde«. Der zuständige Staatsanwalt Pedro Horrach sekundierte: »Die Anklage basiert auf reinen Mutmaßungen.« Wie viel Rückendeckung die Infantin erhält, zeigt sich auch daran, wer ihr Anwalt ist: Miguel Roca ist einer der sieben Autoren der spanischen Verfassung von 1978.

Bei der Inthronisierung ihres Bruders, des neuen Königs Felipe VI., glänzte die Infantin Cristina am 19. Juni gleichwohl durch Abwesenheit. Nicht, weil das Königshaus sie ausschloss – aber sie wird derzeit als nicht allzu repräsentativ angesehen. Der neue König hatte so schon genug Probleme mit der Performance. Die Zustimmung des spanischen Kongresses und des Senats war zwar reine Formsache, denn in beiden Kammern des Parlamentes verfügt der PP über die absolute Mehrheit und kommt zusammen mit der ebenfalls die Einsetzung des neuen Königs unterstützenden PSOE auf über 90 Prozent der Mandate.
Aber das vorgesehene Publikum wollte nicht so Recht mitspielen. Zweimal fuhr Felipe VI. am Tag seiner Inthronisierung durch die Straßen Madrids: Morgens durch abgesperrte, nahezu menschenleere Straßen, die fast nur von Poli­zisten bevölkert waren, und wo nur der Wind monarchistische, rot-gelb-rote Winkelelemente bewegte. Mittags waren dann viele der Königstreuen auf den Beinen, so dass zusammen mit touristischen Städtereisenden doch ein wenig Jubelstimmung aufkam.
Gleichzeitig wurde an diesem Tag das Verbot der rot-gelb-violetten Fahne der von General Franco und der Armee in einem dreijährigen Bürgerkrieg 1939 zerschlagenen zweiten Republik von der Polizei mit Gewalt durchgesetzt. Bei Leibesvisitationen wurde nach republikanischen Fahnen gesucht, zum Teil wurden Protestierenden ihre Fahnen gewaltsam abgenommen. Auch Transparente mit Fotos von Opfern der franquistischen Diktatur durften nicht gezeigt werden.
Juan Carlos begann seine Karriere als Franquist: Franco, so Juan Carlos 1975 kurz vor seiner Inthronisierung, »ist ein Beispiel für die tägliche patriotische Ausübung des Dienstes für Spanien und deshalb habe ich für ihn große Zuneigung und Bewunderung«. Als König wurde ihm eine führende Rolle bei der Demokratisierung zugesprochen, die er allerdings auch kaum hätte aufhalten können und die nie mit einer Aufarbeitung der unter Franco begangenen Verbrechen einherging.