Die Einschränkung der Medienfreiheit in Ecuador

Der Fluch der Supercom

»Reporter ohne Grenzen« kritisiert das Mediengesetz von Ecuador, das der Regierung mehr Kontrolle über die Medien verschafft.

57 800 US-Dollar beträgt die Strafe, zu der die konservative ecuadorianische Tageszeitung Hoy Anfang Juli verurteilt wurde. Binnen drei Tagen, so die Medienaufsichtsbehörde Supercom (Superintendencia de la Información y Comunicación), habe der Verlag den Betrag zu zahlen. Die Redaktion, so die Begründung für die happige Geldstrafe, habe es mehrfach versäumt, die Auflagenstärke der Tageszeitung auf der Titelseite anzugeben. Ein Versäumnis, für das sich der Herausgeber von Hoy, Jaime Mantilla, zwar entschuldigte, aber das reichte der Supercom nicht. Die Behörde, die in Ecuador für die Kontrolle der Medien zuständig ist und über die »ausgewogene« Berichterstattung wacht, agiert auf Basis des Ende Juni 2013 in Kraft getretenen Gesetzes, das den Ecuadorianerinnen und Ecuadorianern ein Recht auf »verifizierte, ausgewogene, präzise und kontextualisierte« Informationen über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zusichert. Das Gesetz definiert Information als »öffentliches Gut« und macht den Staat zum Wächter über den Zugang zu »ausgewogener« Information.

In der Praxis ist das gar nicht so einfach, denn es reicht nicht, grundsätzlich über ein Ereignis zu berichten, wie der Staatsbesuch von Präsident Rafael Correa in Chile im Mai zeigte. Die Supercom warf den Redaktionen der Tageszeitungen La Hora, El Universo, El Comercio und Hoy im Juni vor, nicht ausreichend darüber berichtet zu haben, womit sie gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen hätten. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Die konservative Tageszeitung Hoy hat am 29. Juni das Erscheinen eingestellt. Das ist nicht allein auf die Geldstrafe der Supercom zurück­zuführen, denn die Zeitung litt auch unter einer sinkenden Auflage und darunter, dass ihre Druckerei wegen gekündigter Verträge für den Druck von Schulbüchern nicht ausgelastet ist. In einer vor wenigen Tagen erschienenen Studie moniert die Organisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG) dennoch, dass die zunehmende Kontrolle der Regierung negative Folgen für die Pressefreiheit habe. Seit Inkrafttreten des Mediengesetzes, also von Juni 2013 bis Juni 2014, habe es neun Fälle direkter Zensur, 18 erzwungene Korrekturen und 16 Verleumdungskampagnen gegen Journalisten gegeben, so die Studie von ROG. Ecuadors Mediengesetz, das ursprünglich Transparenz, Gleichheit und Qualitätsjournalismus im Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Medien garantieren sollte, ist ROG zufolge zu einem Kontrollinstrument geworden. »Ecuadors Regierung benutzt das Mediengesetz, um den Informationsfluss stärker denn je zu kontrollieren und kritische Meinungen zu unterdrücken«, klagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Anhänger der Regierung glauben, das Mediengesetz zwinge Ecuadors Journalisten, sorgfältiger zu recherchieren; Kritiker befürchten, dass die drastischen Strafen Selbstzensur zur Folge haben. Einer Umfrage des El Telégrafo zufolge, der ältesten Zeitung Ecuadors, gaben fast ein Drittel der befragten Journalisten an, sie seien wegen ihrer Arbeit bereits bedroht worden, und zwölf Prozent, sie hätten Zensurmaßnahmen erdulden müssen. Der Präsident des ecuadorianischen Verbands der Presseverleger, Diego Conejo, wies darauf hin, dass in den Redaktionen immer öfter die Anwälte entschieden würden, was am nächsten Tag im Blatt zu lesen ist.
Doch diese Kritik prallt an der Supercom ab. Bei einer Veranstaltung an der Universität in Guayaquil wies der Leiter der Behörde, Carlos Ochoa, darauf hin, dass die Dinge sich verändert hätten: »Heute können die Bürger sich beschweren, früher war das nicht der Fall.«