Von wegen importiert

Am Freitag voriger Woche demonstrierte ein Antifa-Bündnis in der Augsburger Straße in Berlin »Solidarität mit allen Jüdinnen und Juden«. Am 24. Juli war dort ein Kippa tragender Jude angegriffen worden. Ähnliches geschah in den vergangenen Wochen auch in Kreuzberg und an anderen Orten in Berlin, wo das Bündnis vorige Woche ebenfalls mit Flugblättern an die Angriffe erinnerte. Die Notwendigkeit solcher Aktionen betonte Wolfgang Seibert, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pinneberg, von dem ein Grußwort verlesen wurde: »Als Jude und radikaler Linker fühle ich mich wirklich bedroht.« Wie so oft stand die Anzahl der Teilnehmer mit rund 60 Personen im umgekehrten Verhältnis zur Bedeutung des Anlasses. »Vernichte die zionistischen Juden, sie sind keine Herausforderung für dich. Zähle sie und töte sie bis auf den letzten«, wurde aus einer Hetzpredigt zitiert, die im Juli in der salafistischen al-Nur-Moschee in Neukölln zu hören war. Mit der Transparentaufschrift »Von wegen importiert, bis heute tradiert!« grenzte sich das Antifa-Bündnis von der vom Bundespräsidenten vertretenen These eines »importierten« Antisemitismus ab. Antisemiten läsen nicht nur den Koran, sondern auch die Süddeutsche Zeitung. Einem Demonstrationsteilnehmer war das zu defensiv, er wäre lieber zur al-Nur-Moschee marschiert, dann mit »bestimmt 2 000 Leuten«. Ein Mann in Monteurskleidung solidarisierte sich spontan mit der Kundgebung und bestand darauf, mit einer Israel-Fahne in der Hand fotografiert zu werden. Er sei Kurde aus der Türkei und für Frieden, sagte er. Zwar mache Israel auch Fehler, aber die Hamas sei viel schlimmer. Er sei eigentlich auch Muslim, aber seit drei Monaten nicht mehr, die Kopfabschneider des Islamischen Staats (IS) in Syrien und Irak waren ihm endgültig zu viel. Eine Begegnung, die hoffen ließ, beim Kampf gegen Judenhass nicht auf Fabelwesen wie den Golem warten zu müssen, der ein Transparent der Kundgebung schmückte.