Besser!

Die Sommerferien sind vorbei und die alte Mühle Schule fängt wieder an zu mahlen. Sie ächzt und seufzt und quietscht und läuft, nicht rund zwar, aber was läuft schon rund im Leben? Und was macht’s auch, schließlich wird sowieso alles andauernd besser, Selbstoptimierung ist das Gebot der Stunde und gerade in der Schule wird selbstoptimiert, bis keiner mehr steht. Besonders die Neuen an der Schule, an der ich Lehrerin bin, sind so motiviert und selbstoptimierungswillig wie sonst nur Heidi Klum und ihre Kandidatinnen. Mit eifrigen Siebtklässlerhänden schreiben sie ihre Wünsche (viele Ausflüge und hitzefrei und bessere Noten), guten Vorsätze (weniger Quatsch machen und bessere Noten) und Hoffnungen (bessere Noten und bessere Noten) auf dafür bereitgestellte Karteikärtchen und gleich dahinter, was sie in der nächsten Woche dafür tun können, dass die Wünsche und Hoffnungen wahr werden und die Vorsätze nicht in Vergessenheit geraten. Sie stellen Regeln für das Verhalten im Klassenraum auf und begründen sie ausführlich – und die einzelnen Paragraphen der nicht von ihnen aufgestellten Schulordnung gleich mit. Danach übersetzen sie alles ins Englische und wissen, dass es egal ist, wenn das entsetzlich schwer ist und am Ende nur Unsinn herauskommt, weil man aus Fehlern lernt und Lernen sowieso ein Risiko ist und das wiederum etwas, das man auf jeden Fall und immer eingehen muss, sonst kommt man nicht weiter im Leben.
Verglichen mit der ersten Schulwoche nach den Sommerferien ist ein Managerseminar ein Kindergeburtstag, einer für die ganz Kleinen, mit blinde Kuh und Topfschlagen und Schokokusswettessen. »Ich setze mich nicht neben meine beste Freundin, weil ich dann immer rede«, schreibt Cansu. »Ich lerne was auswendig, was Langes. Und Langweiliges«, schreibt Eren. »Wann fangen wir an, für das Abitur zu lernen?« fragt Burak. Ich antworte nicht: »Erfahrungsgemäß zwei Tage vor der ersten Prüfung.« Diese Art Antwort habe ich wegoptimiert. Stattdessen lüge ich gekonnt irgendwas Nettes zusammen. Man darf sie nicht demotivieren, sie stehen am Anfang eines langen, steinigen Weges und sind bereit, alles zu tun, um ihn zu bewältigen. Weil sie Ziele haben. »Ich werde Jura studieren«, vertraut Mert mir an, und auf Nachfrage, dass das wegen seiner Schwester sei, die auch Jura studiere. »Und deine Schwester ist dein Vorbild?« »Nein, meine Schwester ist schlimm bescheuert, aber sie hat schon die ganzen Bücher, das ist dann billig«, erklärt er und unterstreicht mit einem roten Filzer das Wort »will« in dem Satz »Ich will immer alle Hausaufgaben machen«. Beeindruckt wende ich mich wieder meinem eigenen Kärtchen zu. »Ich WILL heute Abend noch die Halbjahresplanung fertig machen«, steht da – man möchte ja nicht abgehängt werden. Denn diese Kinder wissen, was sie wollen, und, was wichtiger ist: Sie wissen, was sie tun müssen, um es zu bekommen.