Berlin Beatet Bestes. Folge 260.

Oh, wie schön ist Germany

Berlin Beatet Bestes. Folge 260. Pieptone!: Plitsch Platsch (2014).

Nur die doofen Deutschen sind Fans von Deutschland. Die restlichen Deutschen sind leidenschaftliche Fans anderer Länder. Gern fahren sie zum Beispiel nach Frankreich, lieben französische Comics und französische Küche. Diese Liebe wird zwar selten erwidert, aber das hindert deutsche Fans nicht daran, die Kultur und Menschen in Italien, Brasilien und den USA abzufeiern. Jedes erdenkliche Land auf der Welt erscheint cooler als unseres, weil wir da nicht so genau hinsehen. Andererseits fehlt uns auch der Blick aus der Entfernung, um zu erkennen, was bei uns eigentlich doch ganz cool ist.
Diesen distanzierten Blick auf die deutsche Kultur hat die Band Pieptone! aus Chicago. Die Mitglieder sind Fans deutscher Schlager der sechziger Jahre. Gestern lag die neue CD von Pieptone! bei mir im Briefkasten. Bandleader John McLaughlin hat sie mir freundlicherweise zugeschickt. Über CDs schreibe ich eigentlich nie. Platte oder CD – ich weiß, dass es für die meisten Leser keinen Unterschied macht, für mich aber schon. Aber zum ersten Mal komme ich nicht darum herum, eine CD vorzustellen. Während deutsche Retro-Beatgruppen sich mit der harten Gitarrenmusik aus England und den USA beschäftigen, haben sich Pieptone! auf Schlagerbeat spezialisiert. Die Mischung von Rock ’n’ Roll und Schlager betrachten deutsche Rock-Fans zumeist als unauthentisch und kommerziell – mit Ausnahme von Götz Alsmann, der versteht, dass deutsche Rockmusik in der Frühphase, wenn sie nicht einfach nur blind britische Vorbilder kopierte, immer vom Schlager beeinflusst war.
Nun gibt es natürlich auch hierzulande unzählige Oldie-Schlagerkapellen. Pieptone! ist es jedoch erstmals gelungen, eine ganze Reihe von deutschen Schlagern wieder authentisch einzuspielen. Dabei ist es nicht ihr Sound, der die Titel so nah an ihren Ursprung zurückführt, sondern der Gesang. Niemand bekommt den englischen Akzent in den deutschen Schlagern von Connie Francis, Bill Ramsey, Billy Sanders und Joey Dee so gut hin wie englische Muttersprachler. Die Titelauswahl reicht von »Immer zieht es mich zu dir«, Peter Alexander und Bill Ramseys Cover-Version von Hank Ballards Rhythm & Blues-Hit »Let’s Go, Let’s Go, Let’s Go« über »Ja, so ’ne Party« von Billy Sanders, eine gelungene deutsche Version von Wanda Jacksons Rockabilly-Klassiker »Let’s Have a Party«, bis zu Joey Dees Twist »Bitte bitte Baby«. Diese und 13 weitere Titel, unter anderem von Peter Kraus, Rex Gildo und Roy Black, sind auf »Plitsch Platsch« zu hören. Leider sind Pieptone!, von amerikanischen Oktoberfesten mal abgesehen, bislang nicht näher an Deutschland herangekommen. Es wäre wünschenswert, dass sie ihre wirklich charmanten Cover-Versionen auch einmal im Mutterland des Schlagers vortragen könnten. Also, Booker, meldet euch. Münchner Oktoberfest, wie wärs? Auf ausländische Fans von Deutschland können wir in diesem Land nicht verzichten.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.