Indonesien hat einen neuen Staatspräsidenten

Jokowi am Rudern

Indonesiens neuer Präsident Joko Widodo steht vor großen Herausforderungen. Im Parlament hat seine Partei keine Mehrheit.

Eine Reihe schwieriger Aufgaben wartet auf ihn. Am 20. Oktober 2014 hat Joko Widodo, genannt Jokowi, sein Amt als siebter indonesischer Präsident angetreten. Mit 53,15 Prozent der Stimmen hatte der als Reformer geltende Kandidat der Demokratischen Partei Indonesiens (PDI-P) bei den Präsidentschaftswahlen im Juli gegen den Ultranationalisten Prabowo Subianto nur knapp gewonnen. Unter Jokowis Vorgänger Susilo Bambang Yudhoyono waren die Reformen in Indonesien in den vergangenen zehn Jahren ins Stocken geraten. Im ebenfalls dieses Jahr neu gewählten Parlament fehlt Jokowis Partei, die weniger als 40 Prozent der Abgeordneten (207 Sitze) stellt, eine schlagkräftige Mehrheit. Bei vielen Entscheidungen wird er auf starken Widerstand der sogenannten rot-weißen Koalition unter Prabowo (292 Sitze) stoßen. Prabowo, ein ehemaliger Armeegeneral und Schwiegersohn des früheren autoritären Präsidenten Suharto, werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, er musste sich aber bislang keinem Gericht stellen. Sein treuester Unterstützer ist sein jüngerer Bruder, Hashim Djojohadikusumo, ein millionenschwerer Geschäftsmann.

Einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Machtkämpfe gab es bereits Ende September, als Prabowo und seine Verbündeten im Eilverfahren ein Gesetz im Parlament durchbrachten, das die Abschaffung direkter Wahlen für Bürgermeister- und Gouverneursposten vorsieht. Dass regionale Vertreterinnen und Vertreter seit Beginn der Reformperiode Ende der neunziger Jahre direkt gewählt und nicht mehr, wie zu Suhartos Zeiten üblich, ernannt werden, war einer der wichtigsten Indikatoren für die Demokratisierung des Landes. Dank direkter Wahlen war es seitdem möglich, dass ab und zu auch Kandidatinnen und Kandidaten wie Jokowi selbst, die unabhängig von einflussreicher Patronage agierten, eine Chance hatten. Hauptargument der rot-weißen Koalition für die Abschaffung sind die hohen Kosten der regionalen Direktwahlen. Viele Beobachter fürchten bereits um die Demokratie. Mehrere Gruppen haben angekündigt, das Gesetz vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen. Prabowo möchte im nächsten Schritt auch die Direktwahl des Präsidenten abschaffen. In 31 Provinzparlamenten hat die rot-weiße Koalition ebenfalls die Mehrheit. Es ist zu befürchten, dass sie sich gegen die zentrale Regierung in Jakarta stellen könnten.

Ein weiterer Erfolg der rot-weißen Koalition war die Besetzung des Sprechers des Parlaments und seiner vier Stellvertreter mit Kandidaten aus den eigenen Reihen. Der Sprecher des Parlaments, Setya Novanto, wird beispielsweise in mehreren Untersuchungsberichten der nationalen Antikorruptionsbehörde belastet. Damit die Regierung Jokowis überhaupt regierungsfähig ist, müssten einige Abgeordnete der rot-weißen Koalition den Rücken kehren. Erste Konflikte wurden bereits sichtbar, nachdem die islamische Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) ins Lager Jokowis gewechselt war. In seiner eigenen Partei PDI-P fehlt Jokowi aber ebenso uneingeschränkte Unterstützung. Die Parteivorsitzende Megawati Sukarnoputri, Tochter des ersten indonesischen Präsidenten Sukarno, die von 2001 bis 2004 selbst als Staatsoberhaupt fungierte, kontrolliert nicht nur die Partei, sondern versucht sich auch immer wieder in Jokowis Entscheidungen einzumischen.
Aufgrund seiner relativ geringen Erfahrungen in der Politik kann Jokowi derzeit jede Unterstützung gebrauchen. Der Mann, der allzu oft mit Barack Obama verglichen wird, ist das erste indonesische Staatsoberhaupt, das keine Verbindungen zu Suhartos Familie und den anderen einflussreichen politischen Clans hat. Seine Amtszeit als Gouverneur Jakartas endete verfrüht mit nur wenigen nennenswerten Ergebnissen. Um Jakartas notorische große Staus zu verringern, hatte er mit dem Bau mehrerer S-Bahn-Strecken begonnen, die aber frühestens 2017 in Betrieb gehen werden. Lediglich als Bürgermeister von Solo, einer Stadt mit 500 000 Einwohnern in Zentraljava, hatte er überzeugt, indem er die lokale Wirtschaft und den Tourismus ankurbelte.

Eine der ersten Herausforderungen wird die Kürzung der Treibstoffsubventionen sein, die Jokowi mehrfach angekündigt hat. Sie verschlingen fast ein Fünftel des Staatsbudgets, mehr als beispielsweise für die Sanierung der maroden Infrastruktur ausgegeben wird. Noch sind die Benzinpreise im weltweiten Vergleich sehr günstig, Proteste sind also vorprogrammiert. Jokowi verspricht, die Einsparungen für die Bekämpfung der Armut einzusetzen. Zwei zentrale Punkte seines Wahlkampfprogramms waren kostenlose Grundschulen und eine umfassende Gesundheitsversorgung für Arme. Derzeit jedoch schwächelt Indonesiens Wirtschaft. Woher Jokowis oft angekündigte Investitionen kommen sollen, ist unklar und angesichts der zu erwartenden Konflikte im Parlament reagieren viele Wirtschaftsvertreter bereits skeptisch.
Neben Korruptionsbekämpfung und der Schaffung einer effizienteren Bürokratie durch mehr Transparenz und elektronische Audits muss sich Jokowi auch für die Aufklärung früherer und gegenwärtiger Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Vor allem die anhaltende Gewalt im rohstoffreichen Papua, wo immer wieder Forderungen nach einer Abspaltung von Indonesien laut werden, bedarf raschen Handelns. Bei der Suche nach Lösungen könnte Jokowis Stellvertreter, Jusuf Kalla, helfen. Er war bereits von 2004 bis 2009 stellvertretender Präsident und damals maßgeblich an der Beilegung der gewalttätigen Konflikte in Aceh und Poso beteiligt. Weitere Probleme sind die islamische Radikalisierung und die wachsende Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten. Nicht nur kämpfen Dutzende indonesische Jihadisten derzeit für den »Islamischen Staat« (IS). Es gibt auch Befürchtungen, dass lokale Zellen des IS in Indonesien entstehen könnten.