Die größte Goldmine Lateinamerikas in Peru

Die goldenen Jahre sind vorbei

Obwohl der Goldpreis hoch ist, schreibt die größte Goldmine Lateinamerikas rote Zahlen. Schuld daran sind vermutlich Abschreibungen, die auch mit dem Widerstand gegen den Ausbau der peruanischen Mine zusammenhängen.

»Agua Si, Oro No« (Wasser ja, Gold nein) steht in dicken Lettern auf einem Aufkleber, der an einem Laternenmast im Herzen von Cajamarca prangt. Der Provinzort, rund 700 Kilometer nördlich von Perus Hauptstadt Lima gelegen, ist eines der wichtigsten Bergbauzentren des Landes. Hoch über der alten Kolonialstadt befindet sich die größte Goldmine Lateinamerikas: Yanacocha. Hier werden täglich 600 000 Tonnen Gestein bewegt, um pro Tonne ein knappes Gramm Gold zu gewinnen. Mehr als eine Million Unzen Feingold wurden aus der sich über 251 Quadratkilometer erstreckenden Mine 2005, einem der besten Jahre, gefördert.
Auch 2015 wird die Goldförderung lukrativ sein, die Konzernzentrale rechnet mit rund 900 000 Unzen Feingold, einer ähnlich hohen Fördermenge wie 2013. Dennoch hat die Mine Yanacocha, die von einem Konsortium aus drei Unternehmen betrieben wird, in jenem Jahr ein Defizit erwirtschaftet, wie der peruanische Journalist Raúl Wiener gemeinsam mit dem Bilanzbuchhalter Juan Torres Polo recherchierte. Warum? Weil, so steht es in den Büchern von Minas Buenaventura S.A., Abschreibungen getätigt wurden, die die Bilanz verschlechterten. Hinter dem Posten »Deterioro de activos de larga duración« (Wertminderung langfristiger Aktiva) sei eine Summe von 1 038 548 000 US-Dollar aufgeführt. Damit belief sich der Nettoverlust der Mine auf gut 562 Millionen US-Dollar.
Wie das angesichts eines Goldpreises pro Unze, der derzeit bei über 1 200 US-Dollar liegt und im Bilanzjahr 2013 um die 1 400 US-Dollar pendelte, möglich sei, fragte sich Wiener. Also untersuchte er die Bilanzen des Unternehmens, das seit 1993 die Entwicklung des Verwaltungsbezirks Cajamarca wie kein anderes prägt, noch gründlicher.

Das Geschäft mit dem Edelmetall ist für das Minenkonsortium seit dem Erwerb der Konzession sehr einträglich. Es besteht aus dem peruanischen Unternehmen Buenaventura, dem US-amerikanischen Bergbaukonzern Newmont und der International Finance Corporation (IFC). Newmont und Buenaventura halten mit 51,3 beziehungsweise 43,7 Prozent das Gros der Anteile. Die IFC, eine Tochter der Weltbank, hält die restlichen fünf Prozent.
In den rund 20 Jahren der Existenz der Mine war die Goldförderung sehr lukrativ. Nach dem ersten Geschäftsjahr wies die Bilanzsumme der Mine immerhin 41 Millionen US-Dollar aus, 2011 waren es 705 Millionen US-Dollar. Die drei Teilhaber haben allerdings Schwierigkeiten, den Ausbau der riesigen Mine durchzusetzen. Das Ausbauprojekt Conga, in welches das Betreiberkonsortium insgesamt 4,8 Milliarden US-Dollar investieren will, ist umstritten (Jungle World 29/2012). Ohne das Projekt Conga wäre es nicht möglich, die Mine auch mittelfristig als Schwergewicht des peruanischen Bergbausektors zu erhalten, denn die Goldförderung ist seit Jahren rückläufig. Das bestätigten auch Experten des peruanischen Umweltministeriums. Sie kritisierten aber, dass für das Ausbauprojekt insgesamt vier Bergseen trockengelegt und gegen künstliche Wasserreservoirs ausgetauscht werden sollten. Gegen diese Pläne waren vor allem die Bauern aus der Region von Bambamarca und Huasmán auf die Barrikaden gegangen. Sie fürchten nicht nur um ihre Wasserversorgung, sondern protestieren auch gegen die Umwandlung der Lagunen Azul und Chica in Abraumhalden.
Die Proteste waren ausgesprochen erfolgreich. Trotz der Unterstützung der peruanischen Regierung für das gigantische Bergbauprojekt ist es politisch heute kaum noch durchsetzbar. Das belegt nicht nur der anhaltende Widerstand, sondern auch der Ausgang der Kommunalwahlen vom 5. Oktober vergangenen Jahres. Da wurde Gregorio Santos wiedergewählt, der als Chef der Regionalregierung des Verwaltungsdistrikts Cajamarca das Projekt Conga abgelehnt hatte. Santos hatte sich dem Druck der peruanischen Regierung nicht gebeugt und war zu einer Ikone des Widerstands gegen das Bergbauprojekt geworden.

Santos’ Wiederwahl sei für Perus Regierung ebenso wie für das Yanacocha-Konsortium eine Niederlage, sagt José de Echave, Bergbauexperte und ehemaliger stellvertretender Umweltminister der ersten Regierung von Präsident Ollanta Humala. »In der Lesart der Regierung hat es 2012 einen Höhepunkt der Konflikte im Kontext des Bergbaus gegeben. Seitdem ist die Zahl der Konflikte rückläufig und darauf setzt die Regierung. Sie hofft, dass Ruhe einkehrt, dass die großen Bergbauprojekte mit etwas Zeitverzögerung anlaufen können«, sagt Echave.
Dies geschah zwar in anderen Regionen wie Espinar, doch in Cajamarca haben sich die Hoffnungen der Regierung und der Bergbauunternehmen nicht erfüllt. Vor zehn Jahren hatte die lokale Bevölkerung, die vor allem von der Landwirtschaft lebt, den Ausbau der Förderung schon einmal aufgehalten, damals rund um den Cerro Quilish. Unter dem Berg vermuten die lokalen indigenen Gemeinschaften eine zentrale Wasserader der Region und die wollten sie nicht in den Händen der Minengesellschaften sehen.
»Die Mine Yanacocha ist längst zur Bedrohung für die Bauern geworden«, erklärt Mirtha Vasquez von der bergbaukritischen Entwicklungsorganisation Grufides. »Die Mine verbraucht dreimal so viel Wasser wie die gesamte Bevölkerung Cajamarcas.« Rund 180 000 Menschen, die in Cajamarca leben, und 30 000 Bauernfamilien rund um die alte Inkastadt konkurrieren mit der Mine um das lebensnotwendige Wasser. Schon drängen neue Bergbauunternehmen in die Region, die nach weiteren Goldadern und Mineralienvorkommen suchen. Über 35 Prozent der Fläche des Verwaltungsbezirks sind durch Konzessionen für den Bergbau reserviert.
Ein riesiges Geschäft, von dessen Erlösen nur wenig in Peru bleibt. Cajamarca ist trotz der Aufnahme der Minentätigkeit die zweitärmste Region des Landes. »Die Bergbaukonzerne zahlen für die Ausbeutung der Bodenschätze keine Gebühren. Einzig eine Gewinnbesteuerung erfolgt, zusätzlich zahlen die Unternehmen eine freiwillige Abgabe«, erläutert der Politiker Marco Antonio Arana. »Das sind paradiesische Verhältnisse im internationalen Vergleich.« Der ehemalige katholische Geistliche ist in die Politik gegangen, um die Bauernorganisationen zu unterstützen, die in der Region die Lagunen gegen den Zugriff der Bergbauunternehmen verteidigen.

Dieser Widerstand hat seinen Preis für die Unternehmen. Dazu gehören Entwicklungskosten für das Projekt Conga, aber auch Kosten für bereits erworbene Grundstücke, die ohne Konzessionen für den Bergbau dann deutlich weniger wert sind. Zwar wird das Projekt Conga offiziell nicht weiterverfolgt, allerdings zweifelt kaum ein Experte daran, dass hinter den Kulissen weiter daran gearbeitet wird, denn schließlich verspricht Conga ähnliche Erträge wie Yanacocha in der Vergangenheit. Es geht um Milliarden und das Unternehmen, das Conga umsetzen will, hat auch in den vergangenen Wochen mehrfach bestätigt, dass es weiterhin in Peru investieren will.
Dabei werden allerdings die Investitionen in das Conga-Projekt nicht strikt vom laufenden Betrieb in der Mine Yanacocha getrennt. So würde es schließlich möglich, dass Ausgaben beziehungsweise der Wertverlust des Projekts Conga über die Mine Yanacocha abgeschrieben werden, argumentiert der peruanische Journalist Wiener: »Der Widerstand der Bevölkerung hat dazu geführt, dass der Wert des Conga-Projekts sinkt und das wird in der Bilanz nun aufgeführt.« Weshalb der Posten zuvor nie in der Bilanz auftauchte, kann aber selbst Wiener nicht beantworten. Er wirft den Minenbetreibern vor, die Bilanz bewusst ins Minus zu manövrieren, um keine Steuern zu zahlen. Zudem mutmaßt er, dass erheblich mehr Mittel in das Projekt Conga geflossen sind als angegeben. Folglich hätten sich die Minenbetreiber von Yanacocha verkalkuliert.
Das bestreitet das Minen-Konsortium in einer Presseerklärung. Darin wird behauptet, dass es 2013 175 Millionen US-Dollar an den Staat abgeführt habe. Doch der Staat erstatte die gezahlte Summe zurück, falls die Bilanz negativ ist, wie der Steuerexperte Pedro Francke von der katholischen Universität in Lima gegenüber BBC bestätigte. Das ist bei Yanacocha der Fall. Laut der Erklärung der Unternehmen resultieren die roten Zahlen aus der geringeren Produktion der Mine, dem gesunkenen Goldpreis und den Rückstellungen für Beeinträchtigungen. Ob sich hinter dem letzten Posten die sinkenden Grundstückpreise für die Region von Cajamarca verbergen, lässt das Konsortium im Dunkeln. Auch die Frage, weshalb diese in den Bilanzen von 2011 und 2012 nicht auftauchen, in die von 2013 aber ein Loch von mehr als einer Milliarde US-Dollar reißen, bleibt in der Presserklärung der Minenbetreiber offen.
Der von Wiener geäußerte Verdacht, dass sich die Minenbetreiber arm rechnen, um die peruanische Bevölkerung für ein gescheitertes Bergbauprojekt in die Pflicht zu nehmen, ist durchaus plausibel. Und sicherlich kein Einzelfall bei internationalen Entwicklungsprojekten im Bergbausektor.