Andreas Michalke erzählt, wie seine Mohammed-Karikaturen entstanden sind

Das Pupsen des Propheten

Zwischen Trauer, Angst und Trotz. Das Massaker von Paris wirkt. Gedanken unseres Comic-Zeichners Andreas Michalke.

Der 7. Januar 2015 ist wahrscheinlich der schwärzeste Tag in der Geschichte der Karikatur. Zumindest ist mir nichts bekannt, was mit dem Attentat auf Charlie Hebdo vergleichbar wäre. Ich kann mich auch nicht erinnern, wann mich ein Ereignis zuletzt so mitgenommen hat. Ich bin immer noch so geschockt, traurig und wütend, dass ich diese Zeilen kaum zustande bringe. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen. Als ich die Nachricht hörte, war mein erster Gedanke: »Jetzt kriegt ihr meine Mohammed-Karikaturen!« Die hatte ich 2006 spontan gezeichnet, nachdem ich die dänischen Mohammed-Karikaturen gesehen hatte. Die waren so langweilig. Eine Bombe im Turban. »Huiii! Wie böse!« Ich fand: das kann ich besser, vor allem krasser. Ein an Underground-Comics geschulter Zeichner hat graphisch natürlich eine ganz andere Vulgärpalette zur Verfügung als behäbige Editorial-Cartoonisten rechtskonservativer Tageszeitungen.
So zeichnete ich damals eine Nacht lang fröhlich vor mich hin. Sportlich dachte ich, wenn schon Mohammed-Karikatur, dann richtig. Ich zeichnete lauter schlumpfige, schwerbewaffnete Turbanträger, die Bomben umher trugen; einen pupsenden Mohammed, dessen Pups einen Heiligenschein trägt; zwei bärtige, langnasige Turbanträger, die sich nicht über eine abgebildete Jesus-Maus, Adolf-Maus, George-W.-Maus und Buddha-Maus aufregen, sondern nur über die »Prophet-Mohammed-Maus«. In einem anderen Cartoon schreiben die beiden Hirbel an eine Wand: »Jesus ist schwul«. Mit einem gezeichneten Jesus und einem Schwanz im Mund. Ein anderes Bild zeigt ein kleines Mädchen, das an eine Wand schreibt: »Mohammed ist schwul«. Auch der Prophet Mohammed hat einen Schwanz im Mund. Ein bärtiger Turbanheini erschießt sie.
Am nächsten Morgen hatte ich dann doch Bedenken. Auf den zweiten Blick könnten meine Figuren tendenziell rassistisch erscheinen. So etwas hätte eine amerikanische Soldatenzeitung im Irak vielleicht auch gern gedruckt. Das ließ mich zweifeln. Wichtiger war allerdings die Angst meiner Freundin: »Willst du dafür sterben?« In meinen Bigbeatland-Comics bemühe ich mich immer, jeden Charakter differenziert und mehrdimensional darzustellen. Bei mir kriegt jede Figur ihr Fett weg. Cartoons, also einfache Einbild-Witze, können treffsicher sein, sind aber oft eindimensional. Religion war auch nie mein Thema. Offensichtlich wäre es leicht, sich als mittelmäßiger Cartoonist einen Namen zu machen, indem man ein paar humorlose Irre mit kurzer Lunte hochgehen lässt. Mit meinen Mohammed-Cartoons verkürzte ich mein ganzes Werk auf ein paar billige Witzzeichnungen. Veröffentlicht wurden die Cartoons also nie. Alle meine Comiczeichner-Kollegen ließen ebenfalls die Finger davon.
Nach dem Attentat auf Charlie Hebdo ist jetzt eine neue Zeitrechnung angebrochen. Wo vorgeblich religiös motivierte Killer mit aller Macht Angst verbreiten, ist kein Platz mehr für falschen Respekt vor religiösen Befindlichkeiten. Sonst hätten sie erreicht, was sie wollten.