Das neue Album von Feine Sahne Fischfilet

Jenseits des Landfriedens

Feine Sahne Fischfilet veröffentlichen ein neues Album. Die Bandmitglieder sind die beliebtesten Staatsfeinde des Landes.

Ich finde es gut in Mecklenburg-Vorpommern, ich bin in zehn Minuten am Strand.« Hat er das wirklich gerade gesagt, dieser Mann, der selbst bei fünf Grad Außentemperatur in kurzer Hose am Tisch eines Berliner Szenecafés sitzt – und dem der Ruf vorauseilt, ein verwegener Staatsfeind zu sein? Er ist von einschüchternder Gestalt, man sagt ihm nach, Massiv zu ähneln. Einem Rapper, dem sein Name beim Blick in den Spiegel eingefallen sein muss. »Wir sehen uns nicht ähnlich«, sagt Monchi. »Anders als Massiv bin ich eher ein Fass als ein Sixpack.«
Feine Sahne Fischfilet, deren Sänger Monchi ist, haben das, wovon andere Bands nur träumen: eine Haltung. Und eine Geschichte neben dem stinknormalen Werdegang aller Jungsbands, die sich in Schultagen zusammentun, um in der Scheune von Bauer Harms, Peters oder wie auch immer, erste Punksongs zusammenzudengeln. Feine Sahne Fischfilet wurden wiederholt im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns erwähnt, seit Jahren versuchen die Behörden, die Band zu kriminalisieren, Konzerte zu verhindern und ihre Musik zu indizieren. Im Gespräch mit der Jungle World sagte Michael Teich, Sprecher des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern: »Seitens des Verfassungsschutzes wird die Band im Gesamten als ›gewaltbefürwortend‹ und werden einzelne Mitglieder der Band sogar als ›gewaltbereit‹ eingestuft.« Die Begründung dafür ist, dass »ihr Auftreten in der Öffentlichkeit zumeist in Verbindung mit politischen Aktionen steht«. Diese Aktivitäten verfolgten, so Teich weiter, »verfassungsfeindliche Ziele« (Jungle World 43/2012).
Zwei Seiten im Verfassungsbericht – seine Wirkung verfehlte das ernüchternde Feature nicht. Allerdings auch auf eine Weise, die von den Behörden eher nicht intendiert war. Band und Label sahen sich nach Veröffentlichung des Dokuments zu großem Dank verpflichtet und ließen den Verantwortlichen einen Präsentkorb zukommen. Man wollte sich erkenntlich zeigen für die kostenlose Werbung und einen Aufmerksamkeitsschub, der mit dafür verantwortlich ist, dass die Antifaschisten von Feine Sahne Fischfilet heute ausverkaufte Konzerte spielen. Auch wenn so mancher Konzertveranstalter aus Angst vor rechten Übergriffen die Band lieber nicht buchen wollte, sie bahnte sich ihren Weg, zwischen Aushilfsjobs und Studium.
Dass ihr Bandbus von Neonazis angegriffen, an einem Konzertort ein Anschlag mit Buttersäure verübt wurde und Aufkleber zum Mord an Bandmitgliedern aufriefen, hielt Feine Sahne Fischfilet nicht davon ab, weiter durch die Käffer zu touren. Informationsveranstaltungen zur Aufklärung über Neonazi-Strukturen wurden dabei organisiert und linke Gruppen unterstützt. »Sind nun ständig unterwegs,/zwischen Party, Suff und Tour./Endlich zahlt es sich nun aus –/unser Straßenabitur«, heißt es im Song »Lass uns gehen«. Und nach all den Kleinstadtclubs fanden sich Feine Sahne Fischfilet plötzlich auf der Bühne des Hurricane-Festivals wieder. Noch in diesem Jahr werden sie bei Rock am Ring spielen. Eine Veranstaltung, auf der die Massen Rammstein zujubelten, als die Band eine riesige Deutschlandfahne auf der Bühne entrollte. Feine Sahne Fischfilet könnten anecken auf dem größten Musikfestival des Landes.
»Bleiben oder Gehen« lautet der Titel ihres jüngsten Albums. Eine Frage, die sich Monchi oft stellt. »Ich habe eine Hassliebe zu Mecklenburg-Vorpommern«, sagt er über das am dünnsten besiedelte Bundesland, dessen Neonazi-Problem offenkundig ist. Aufgewachsen sind alle sechs Bandmitglieder im Landkreis Demmin, wo die NPD aus den letzten Landtagswahlen als viertstärkste Kraft hervorging. Aber Monchi liebe es nun mal, sich zu streiten. »In Mecklenburg-Vorpommern musste ich dazu nie lange suchen.« Für die meisten eine Horrorvorstellung, die früher oder später dazu führt, sich in der konfliktarmen Geborgenheit großstädtischer Szenen bequem einzurichten.
Der Spätkapitalismus weiß bekanntlich jede Kritik zu integrieren. Trotzdem: Dass Feine Sahne Fischfilet einen breiteren Konsens erzeugen dürften als andere linke Chaoten, verwundert zunächst. Konfrontative Interviews jedenfalls muss Monchi nicht geben. Vielleicht hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Mecklenburg-Vorpommern ein noch finsterer Ort wäre, gäbe es nicht Antifaschisten wie diese. Liegt damit die Vermutung nahe, Feine Sahne Fischfilet seien dem besorgten Bürger gar nicht so unwillkommen, weil man sich ein Feindbild teilt? Gerade als der liberale Nachbar beginnt, diese Typen für gute Jungs zu halten, die nur vor der eigenen Haustür kehren wollen, bäumt sich Monchi zum Schreckgespenst der Anständigen auf: »Lieber Hartz IV bezieh’n, im Bett bis zum vier liegen,/Bier trinken, Weed dealen, Speed zieh’n,/als Geld im Staatsdienst verdien’.«
Zur Ironie des Geschäfts gehört, dass auf den Konzerten von Feine Sahne Fischfilet viele derer fehlen dürften, die sich einst linkes Bewusstsein zugutehielten. Die an der Diskussion über Blumfeld, die Goldenen Zitronen und Tocotronic eingehend geschulten Popfans rümpfen angesichts dieses Punkrocks à la Mighty Mighty Bosstones in gleicher Weise die Nase, wie sich gestandene Theoretiker über den Antifa-Nachwuchs und Bildungschauvinisten über einen proletarischen Zungenschlag erheben.
Das ästhetische Selbstverständnis von Feine Sahne Fischfilet speist sich aus dem klassischen Agitprop-Ansatz: »Das, was wir machen, ist keine Kunst (…), nicht für die Galerie, nicht für die Glasvitrine. (Es) soll eine Art Werkzeug sein, um unserer Wut gegenüber Rassisten, Sexisten, Homophobie und Staat eine Stimme zu geben«, hat Monchi mal gesagt. Weniger Glam, Doppelbödigkeit und Wille zur Inszenierung als bei Feine Sahne Fischfilet hat man selten gesehen.
In seiner unverwechselbaren Art schrieb das Musikmagazin Visions anlässlich der Veröffentlichung von »Scheitern & Verstehen« 2012: »Punkrock muss nicht modern sein, er funktioniert auch heute noch so, wie er immer schon funktioniert hat. Mit Wut, Herz und Haltung.« Sätze, die einer Besprechung der Toten Hosen entnommen sein könnten. Auf die Frage, welche deutsche Band im Laufe ihrer Karriere alles richtig gemacht habe, antwortet Monchi, als wolle er jedem halbwegs distinguierten Popexperten einen Tiefschlag verpassen: »Die Broilers.« Darauf wäre Jochen Distelmeyer nicht gekommen. Die Broilers sind eine alteingesessene Ska-Punk-Band aus Düsseldorf, die sich ihr Management mit den Toten Hosen teilt. Feine Sahne Fischfilet haben einige Konzerte mit ihnen zusammen gespielt.
Drehen diese sympathischen Landeier das Rad der Geschichte zurück, indem sie die Allianz aus Punk und Antifaschismus in ihrer traditionellen Form aufwärmen? Zum Glück muss niemand der Band beispringen, um ihre musikalische Schlichtheit gegen die feinsinnige Kunstkritik zu beschützen. Das kriegen diese Jungs schon selber hin, denn ihre Durchschlagskraft ist enorm. Neben ihrem Engagement gegen den Faschismus zählt es zu den größten Vorzügen der Band, dass sie ein zwiespältiges Gefühl hinterlässt. Man kommt nicht umhin, sich mit der Band auseinanderzusetzen, was ganz nebenbei essentielle Fragen zum Verhältnis von Musik und Politik zurück aufs Tapet bringt. Womit Monchi die bis zur Reibungsfreiheit geglättete Musikwelt wieder ein wenig aufgeraut hätte. »War das okay so?« fragt er am Ende des Interviews. Am liebsten hätte er sicher ein Nein gehört.

Feine Sahne Fischfilet: Bleiben oder Gehen (Audiolith/Broken Silence)