Die neue tunesische Regierung

Das Comeback der Islamisten

In Tunesien hat das Parlament die neue Regierung bestätigt. An dieser ist auch die islamistische al-Nahda beteiligt.

Es ist vollbracht. Anfang Februar erhielt die neue Regierung unter dem parteilosen Habib Essid die Bestätigung im Parlament, mit 167 von 217 Stimmen. Seit den Parlamentswahlen im Oktober waren mehr als drei Monate vergangen. Die antiislamistische Partei Nidaa Tounès des im Dezember gewählten Präsidenten Béji Caid Essebsi hatte sie mit 38 Prozent der Stimmen gewonnen, al-Nahda hatte lediglich 28 Prozent erhalten. Doch auch al-Nahda ist in der Regierung vertreten.
Innerhalb von Nidaa Tounès wachsen die Spannungen, weil ein Teil ihrer Politiker dies als schändliches Einknicken vor den Islamisten wertet. Aber ähnliche Spannungen wachsen auch in der Islamistenpartei. In den Zeitungen wird die Kontroverse ebenfalls erbittert ausgetragen.
Unter dem Titel »Al-Nahda tritt in die Regierung ein. Die Politiker haben das Volk verraten« schreibt der tunesische Politologe Hamadi Redissi: »Niemals, sagt die Führungsspitze von Nidaa, regieren wir zusammen mit al-Nahda! Aber nun ist es so weit. Sie schlafen zusammen im selben Bett. Und vielleicht träumen sie denselben Traum! Ein Albtraum jedenfalls für die mehr als eine Million Stimmen der Frauen (von 1,7 Millionen), die massiv für Béji Caid Essebsi votiert haben.«
Nein, schreibt hingegen der tunesische Politologieprofessor Hatem M’rad, ein Minister und drei Staatsekretäre für al-Nahda, das sei nicht der Islamismus an der Regierung. Rachid Ghannouchi – die graue Eminenz von al-Nahda – habe selbst von einer »symbolische Beteiligung« al-Nahdas an der Regierung gesprochen und dadurch gezeigt, dass es das Wesentliche für seine Partei sei, der Regierung nicht als Hauptzielscheibe zu dienen. Von den 41 Mitgliedern der Regierung, einer Koalition aus fünf Parteien, repräsentierten 25 diese politischen Parteien, aber 16 seien als Unabhängige ausgewählt worden, insbesondere die in den Machtministerien. Es handele sich eher um eine Regierung der nationalen Einheit als um eine Koalitionsregierung.
Die Islamisten als Hauptzielscheibe der Regierung? Dem widerspricht implizit Redissi: »Nun erklärt man uns, dass sie (die Islamisten von al-Nahda, Anm. d. Red.) Opfer seien, ausgeschlossen und verstoßen, bedroht von einer ›Kollektivstrafe‹. Ohje! Über was und wen redet man da? Wir, die unverbesserlichen Laizisten, die ›Ich bin insgeheim Charlie‹, wir sind die Geächteten, die Parias und die, die weniger als nichts sind. Al-Nahda hat die moralische Ordnung durchgesetzt. Sie hat mehr als zwei Jahre lang die Macht ausgeübt und die Partei ist heute im Parlament vertreten, mit 30 Prozent (der Sitze).«
Tatsächlich spricht nichts dafür, dass die Regierung einen repressiven Feldzug gegen al-Nahda plant. Sie ist damit beschäftigt, den Terror der Jihadisten einzudämmen. Anhänger des linken Front populaire sagten bereits kurz nach den Parlamentswahlen, es sei ihnen lieber, wenn sie nicht zusammen mit den Islamisten in der Opposition seien. Doch der Front populaire befürchtet auch, dass eine institutionelle Kooperation von Nidaa Tounès und al-Nahda die Aufklärung der Morde an den linken Politikern Chokri Belaïd und Mohammed Brahmi unmöglich macht, angesichts des Verdachts einer Beteiligung von Mitgliedern al-Nahdas als Hintermänner. Diese Gefahr jedenfalls liegt nahe.