Nach vielen Niederlagen gewannen die französischen Sozialisten wieder gegen den FN

Die schwarze Serie ist beendet

Bei einer Stichwahl verteidigten die französischen Sozialdemokraten ihre Mehrheit im Parlament – gegen einen Kandidaten des Front National.

Die 14 könnte die Glückszahl des französischen Parti Socialiste (PS) sein. Denn nach 13 Wahlniederlagen riss die Unglücksserie für die Regierungspartei von François Hollande und Manuel Valls, zumindest vorübergehend, ab. Zum Triumphieren bestehe jedoch kein Anlass, betonte ihr neu gewählter Abgeordneter Frédéric Barbier am Sonntagabend.
Wird ein Parlamentssitz in der französischen Nationalversammlung frei, etwa durch Ableben oder dauerhaften Berufswechsel einer oder eines Abgeordneten, dann wird eine sogenannte Teilwahl im betreffenden Wahlkreis organisiert. An den vergangenen beiden Sonntagen fand in zwei Durchgängen die 14. Teilwahl seit dem Antritt der bestehenden sozialdemokratischen Parlamentsmehrheit im Juni 2012 statt.

Es ging dabei um viel. Denn wäre der Parlamentssitz, den der vormalige Abgeordnete und zeitweilige Wirtschaftsminister Pierre Moscovici inne hatte – er ist wegen seines Wechsels als EU-Kommissar nach Brüssel auf Dauer verhindert – verloren gegangen, dann hätte die Regierungspartei ihre Mehrheit im Parlament eingebüßt. Die Partei wäre dann entweder auf die widerspens­tigen Grünen angewiesen gewesen oder aber auf wechselnde Mehrheiten.
Noch vor wenigen Wochen hätte kaum jemand einen Blumentopf darauf verwettet, dass es den Sozialdemokraten gelingen würde, in die Stichwahl am zweiten Stimmsonntag einzuziehen. Nun ist es ihr gelungen. Statt, wie allgemein erwartet, zwischen der konservativ-wirtschaftsli­beralen UMP und dem rechtsextremen Front National (FN) wurde die zweite Runde der Wahl zwischen dem PS und dem FN ausgetragen. Die Wählerschaft der bürgerlichen Rechten teilte sich dabei zwischen den zur Auswahl stehenden politischen Blöcken auf. Am Montag behauptete der Vizepräsident des FN, Florian Philippot, »auf manifeste Weise« habe »eine Mehrheit« der konservativen Wähler in der Stichwahl für die FN-Kandidatin Sophie Montel gestimmt.
Die Nachwahl fand im ostfranzösischen Audincourt statt, rund 40 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Es handelt sich um einen alten Arbeiterbezirk, geprägt von der Tätigkeit bei Peugeot und den Automobilzulieferern, wo die etablierten Linksparteien viele Enttäuschte hinterlassen haben.
Montel lag nach dem ersten Wahlgang mit 32,6 Prozent in Führung, gefolgt vom PS-Kandidaten Barbier mit 28,9 Prozent. Der UMP-Bewerber fiel mit 26,5 Punkten durch. Innenpolitisch hat vor allem die amtierende Regierung von der Atmosphäre nach den jihadistischen Anschlägen in Paris profitiert. Hinter ihr haben viele Franzosen die Reihen geschlossen. Obwohl das Klima zwar teilweise integrativ, aber teils auch nationalistisch und repressiv geprägt ist – im französischen Parlament sangen erstmals seit 1919 Abgeordnete quasi aller Lager stehend die Nationalhymne –, konnte die UMP nicht sehr davon profitieren. Einerseits, weil sie in der Opposition ist, andererseits wegen der peinlichen persönlichen Profilierungssucht ihres alt-neuen Vorsitzenden Nicolas Sarkozy. Er hatte sich bei der Pariser Demonstration am 11. Januar aus der dritten Reihe, wo dem Protokoll zufolge sein Platz war, in die erste gedrängelt, wie viele Fotos belegen.
Bis vor vier Jahren galt es als selbstverständlich, dass bürgerliche Rechte bei einer Stichwahlentscheidung zwischen Sozialdemokraten und Rechts­extremen »republiktreu« wählen. Erstmals verwarf Sarkozy diese alte Linie bei den Bezirksparlamentswahlen im März 2011.
Sarkozy vertrat vorige Woche eine Position, die darauf hinauslief, sich zwar inhaltlich gegen die extreme Rechte auszusprechen, aber der eigenen Anhängerschaft das Wahlverhalten offen zu lassen – also keine Wahlempfehlung auszusprechen. Doch Sarkozy wurde mit seiner Haltung im UMP-Vorstand überstimmt. Bei einer knappen Kampfabstimmung sprachen sich 19 Teilnehmer für die Position Sarkozys aus, 22 für den Gegenvorschlag, der darauf hinauslief, nicht oder ungültig zu votieren.

Diese Position bedeutet vor allem einen Bruch mit der Haltung der sogenannten republikanischen Front, die in der Vergangenheit bei der bürgerlichen Rechten vorherrschend war und der zufolge die Sozialdemokratie – anders als der FN – zum Verfassungsbogen zähle. Eine Minderheit konservativer Spitzenpolitiker sprach sich dennoch dafür aus, am Sonntag sozialdemokratisch zu stimmen, so der ehemalige Premierminister Alain Juppé. Hingegen ließ der Abgeordnete und ehemalige Minister Thierry Mariani vom rechten Parteiflügel durchblicken, dass der FN für ihn letztlich das kleinere Übel darstelle.
Sarkozy schaffte es nicht, Ruhe in seine Partei zu bringen. Auch deswegen, weil er aus finanziellen Gründen auf Vortragsreise in Abu Dhabi weilte, als zu Beginn voriger Woche die heiße Phase der Debatte losging. 150 000 Euro für 45 Minuten Vortrag – das wollte sich der ehemalige Präsident nicht entgehen lassen, dessen vergangene und gegenwärtige Finanzierung durch Golfmonarchien, früher auch andere arabische Diktaturen, weithin bekannt ist. Nachdem dies Ende voriger Woche publik geworden war, fiel Sarkozys Popularität noch einmal rasant ab. Innerhalb von Stunden verlor er bei den UMP-Sympathisanten 26 Prozentpunkte an Beliebtheit.
Am Ende siegte der PS-Kandidat in Audincourt mit 51,4 Prozent der Stimmen, relativ knapp und mit weniger als 900 Stimmen Abstand. Doch die Debatte um die richtige Position gegenüber der extremen Rechten ist nun wieder für Monate befeuert worden. Der Mitte-Rechts-Politiker Yves Jégo sagte am Montag, dass es nun »nicht mehr unwahrscheinlich« sei, dass der FN an die Macht gelangen könnte.