Die Konferenz des »Friedenswinters« in Frankfurt

Kein Frühling im »Friedenswinter«

In Frankfurt am Main trafen sich Anhänger des »Friedenswinters« zu einer »Aktionskonferenz«. Die gemeinsamen Feinde einen das Querfrontbündnis weiterhin.

»Unsere Demonstration ist antifaschistisch, ohne Wenn und Aber«, verkündete der langjährige Aktivist Reiner Braun auf einer Demonstration des »Friedenswinters« im Dezember 2014. Auch auf der »Aktionskonferenz« am Samstag in Frankfurt am Main bekräftigte er dieses Selbstverständnis häufig. Dass es sich bei diesem Antifaschismus angesichts der heterogenen Teilnehmerschar aus der Linkspartei, den sogenannten Montagsmahnwachen, dem DGB, der Deutschen Friedensgesellschaft, dem Freidenkerverband, traditionellen linken Friedensorganisationen und »zinskritischen« Kleinstgruppen um einen teils leeren, teils abstrus gefüllten Begriff handelt, zeigte die Diskussion im Laufe des Tages. Ein zentrales Anliegen der von etwa 140 Teilnehmern besuchten Konferenz war die Aussprache über die Kritik an dem Zusammenschluss, an dem sich auch Personen aus dem Dunstkreis der sogenannten »Mahnwachen für den Frieden« beteiligen, die durch verschwörungstheoretische, neurechte und antisemitische Aussagen aufgefallen sind.

Das Zwischenfazit schien zuerst leicht umstritten zu sein. So äußerte vor allem Braun durchaus Kritik an »rechtsoffenen« Mahnwachen und schlug vor, diese durch Überzeugungsarbeit »nach links« zu rücken. Eine Vertreterin von »Pax Christi« fasste die Bedenken in ihrer Organisation zusammen und warb für eine »klare Abgrenzung nach rechts«. Dass diese Abgrenzung für etliche jedoch rein symbolischer Natur ist, zeigte die Diskussion über die Aussagen des Sprechers der Deutschen Friedensgesellschaft, Monty Schädel, die dieser tags zuvor im Interview mit der Taz gemacht hatte. Für seine scharfe Kritik an der Beteiligung »nach rechts offener« Sprecher – gemeint war unter anderem der Sänger der Band »Die Bandbreite« – wurde er laut und persönlich attackiert, woraufhin er sich von manchen seiner Aussagen distanzierte. Die Kritik an rechten Teilnehmern und der verschwörungstheoretischen Band erhielt er aber aufrecht, was von lauten Buh-Rufen begleitet wurde. Der personifizierte Feind war gefunden.
Jegliche Kritik, beispielsweise an einem lediglich antisemitische Ressentiments bedienenden Antikapitalismus, wurde als »denunziatorisch«, »überzogen« und »an Personen festgemacht« abgetan. Schließlich, so ein Redebeitrag, sei für »die da oben« nichts gefährlicher als »ein Bündnis der neuen und alten Friedensbewegung«. Einige Redner betonten dabei immer wieder das Ende der Unterscheidung von »links« und »rechts«, schließlich gehe es um »breite lokale Bündnisse« und, so Christiane Reymann von der Linkspartei, um eine »Volksfront statt Querfront«. Wohin die Forderung nach Aufhebung des »Links-rechts-Schemas« führen kann, zeigte der Redebeitrag eines Anhängers der Mahnwachen, der sich selbst als »undogmatischer Linker« vorstellte und die Montagsveranstaltungen als »Bewegung der Mitte« bezeichnete. Aufgabe der Mahnwachen sei es, anpolitisierte Menschen mit »Gegen-alles-Haltung« vor einem Abdriften in »radikale Gruppen« zu bewahren: in die Szene der »nihilistischen Antideutschen«, der Neonazis oder religiösen Fanatiker wie der Salafisten.
Die Kritik an den Medien wirkte wie aus dem Magazin Compact abgelesen. So attestierte der Schriftsteller Wolfgang Bittner den Medien in seinem Vortrag zur Ukraine-Berichterstattung eine »ideologische Kriegsführung« im Sinne der USA gegen Russland. Ziel der Kampagne sei es, die Bevölkerung gegen Putin aufzubringen, die militärische Aufrüstung voranzutreiben und letztlich einen Krieg gegen Russland vorzubereiten.

Die Diffamierung der Friedensbewegten als »Putin-Versteher« und »moskauhörig« solle diese lediglich »kaltstellen« – das sei information warfare, die gezielte und gesteuerte Propaganda zur Kriegsführung. Offenkundig sei die Ukraine-Krise eine »Inszenierung des Westens«, gesteuert von westlichen Geheimdiensten und der CIA. Mit »Russland-Liebe« habe das, so Bittner, ebenso wenig zu tun wie mit Antiamerikanismus. Die »Systemmedien« und »die Ditfurth«, so ein Redebeitrag, hätten »satte Arbeit« bei der Denunziation der Bewegung geleistet. Auch von den »eigenen Medien«, wie dem Neuen Deutschland, dem Freitag und der Taz, fühlen die Friedensbewegten sich verraten.
Die inhaltliche Nähe zu Compact ist auch deshalb interessant, weil sich einzelne Protagonisten der Montagsmahnwache in Berlin wie Pedram Shahyar, Lars Märholz – beide waren in Frankfurt anwesend – und Ken Jebsen ausdrücklich von Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des Magazins, distanziert haben. Grund für Auseinandersetzungen war vor allem Elsässers Werbung für eine gemeinsame Front von »vernünftigen Linken« und »vernünftigen Rechten«. Jebsen, Shahyar und Märholz widersprachen Elsässer in der Frage, dieser bezeichnete sie daraufhin als »Linksglobalisten«. Seither wirbt er um Unterstützung bei Legida in Leipzig und bei der Alternative für Deutschland.
Manche gehen, andere kommen. Eine Sympathiebekundung richtete »Die Linke – SDS« an die Konferenz. In einer Erklärung schrieb die Organisation, sie wolle »der Friedensbewegung nicht fern bleiben«. Doch sie sage »Ken Jebsen, Lars Mährholz und allen rechten Verschwörungstheoretikern und -theoretikerinnen: Geht nach Hause!« und grenze sich von Menschen ab, die »den Friedenswinter für rassistische oder verschwörungstheoretische Positionen vereinnahmen wollen«. Eine solche Distanzierung war freilich während den antiisraelischen und antisemitischen Ausschreitungen im vergangenen Sommer anlässlich des Gaza-Kriegs ausgeblieben.
Wie für heterogene Querfronten üblich, zeigte sich auch auf dieser Konferenz: Spaltungen und Streitigkeiten gibt es, doch sie werden meist von persönlichen Animositäten und Befindlichkeiten bestimmt, was sich beispielsweise an den Distanzierungen innerhalb des Bündnisses des »Friedenswinters« illusionieren lässt. Die gemeinsamen Feinde – die USA, das Finanzsystem, die »Nato-Propagandisten« der »Lügenpresse« und so weiter – einigen den Zusammenschluss, lagerübergreifend von Mitgliedern der Linkspartei bis hin zu Reichsbürgern und Antisemiten verschiedenster Spielart.

Dieses einende Potential äußert sich nicht zuletzt auch im Verhältnis zu Pegida, Endgame, Hogesa und ähnlichen Veranstaltungen. Die Distanzierungen mancher Protagonisten des »Friedenswinters« verhallen, deren eigene Gruppen suchen lieber die Nähe. Die große Solidarität mit Ken Jebsen, die nicht feststellbare Ablehnung einer Beteiligung Jürgen Elsässers auf der Konferenz sowie die Verschwörungstheorien um gesteuerte Medien zeugen ebenfalls von den verschwommenen ideologischen Grenzen. Auch die mit Applaus bedachten Vorschläge aus dem Plenum, das Bündnis solle die »Solidarität mit Palästina gegen die israelische Besatzung« und die »Souveränitätsproblematik« stärker thematisieren, unterstreichen das. Da längst überfällige Abgrenzungen nicht vollzogen wurden und nicht zu erwarten sind, wird man große Teile der Friedensbewegung zukünftig einfach als Querfrontbewegung bezeichnen können – der gemeinsame Auftritt der Mahnwächter Jebsen und Märholz mit dem »Distanzierer« Braun auf der Berliner Mahnwache am Montag spricht Bände.