Die AfD und der »1. Alternative Wissenskongress NRW«

Wissen aus Witten

Auf einem Kongress in Nordrhein-Westfalen sollen Verschwörungstheoretiker verschiedener Couleur zusammenkommen. Mitglieder der Alternative für Deutschland haben das Treffen organisiert.

»Politisch unabhängige Bildungsangebote, frei von Denkverboten« – davon hat die nordrhein-westfälische Parteibasis der Alternative für Deutschland (AfD) eine ganz besondere Vorstellung: Auf einem sogenannten »1. Alternativen Wissenskongress NRW« lässt sie am Sonntag im Saalbau der Stadt Witten Referenten zu Wort kommen, die in der Vergangenheit eher durch krude Verschwörungstheorien als durch offene Diskussionen aufgefallen sind. Jürgen Elsässer, Eberhard Hamer, Andreas Popp und Karl Albrecht Schachtschneider referieren zu der Frage: »Demokratie in Gefahr – Wer regiert Deutschland?« Die Antworten der Redner stehen schon im Programm des Kongresses: die Medien, die Großkonzerne, die Banken sowie EZB und ESM.
Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler beim Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf, spricht mit Blick auf die Rednerliste von »Verschwörungstheoretikern mit zum Teil nationalistischen, zum Teil antisemitischen Anschauungen«. Vor allem Elsässer und Popp stehen seiner Meinung nach für diese einseitige Auswahl der Redner und dokumentieren die Tendenz der AfD-Basis zu rechtspopulistischen und auch antisemitischen Thesen.
Das sehen die Organisatoren völlig anders. »Leider sind in den letzten Jahren die Formen des offenen, friedlichen, auch kontroversen Diskurses über wichtige politische Themen immer mehr zu Gunsten entweder des reinen Konsums marktbeherrschender politischer Medien oder der zunehmend größeren generellen Abwendung von allen politischen Fragen zurückgegangen«, sagt Ingo Schumacher, Mitglied im AfD-Bezirksvorstand Köln. Allerdings äußert er sich zum »Wissenskongress« nicht als Mitglied der AfD, sondern als Sprecher des »Vereins zur Förderung des politischen Dialogs«. Dieser wird im Impressum des Kongresses als Veranstalter geführt, was als Versuch gesehen werden kann, die AfD offiziell als unbeteiligt an der Organisation darzustellen, zugleich aber ihre Strukturen zu nutzen. Die Adresse des Vereins ist identisch mit der des Kreisverbands der AfD Gütersloh, beider Post geht an Udo Hemmelgarn in Harsewinkel.
Hemmelgarn ist Vorsitzender des AfD-Bezirksverbands Detmold und wie Schumacher eines von mehreren AfD-Mitgliedern, die sich im Umfeld des Vereins bewegen. Sebastian Schulze, Mitglied im Vorstand des AfD-Bezirksverbands Arnsberg, ist an der Organisation des Kongresses ebenso beteiligt wie Nic Vogel vom AfD-Bezirksvorstand Düsseldorf. Letzterer hat die Tickets für die etwa 800 Plätze des Saalbaus mittlerweile vollständig verkauft.
Ursprünglich hatten alle fünf nordrhein-west­fälischen Bezirksverbände der AfD versucht, den Kongress zu organisieren und zu veranstalten. Im vergangenen Herbst wurde gemeinsam das Grundkonzept entwickelt und die Rednerliste zusammengestellt. Erst nachdem der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke Bedenken angemeldet hatte, zogen sich die Bezirksverbände offiziell zurück und der »Verein zur Förderung des politischen Dialogs« übernahm die Vorbereitung der Tagung. Die Landespartei wollte die Vorgänge auf Anfrage der Jungle World nicht kommentieren.

Der Kongress sorgt nicht nur bei der AfD für Unbehagen. Der Wittener Rat befürchtet, die Veranstaltung könne »dem Ansehen der Stadt« schaden. Beinahe einstimmig haben sich die Ratsfraktionen von dem Treffen distanziert und das Kulturforum als Betreiber des Saalbaus aufgefordert, »alles in seiner Macht Stehende zu tun, dass der Kongress in Witten nicht stattfindet«. Nur die beiden Abgeordneten der rechts­ex­tremen Partei Pro NRW stimmten gegen die Resolution.
Bislang blieb der Einspruch ohne Erfolg, der Kongress wird wahrscheinlich stattfinden. Ob er dem Ansehen der Stadt schadet, dürfte den Gegendemonstranten gleichgültig sein. Ein Antifa-Bündnis ruft für Sonntag unter dem Slogan »Gegen Nazis, Rechtspopulisten, Antisemiten und anderen deutschen Verschwörungswahn. Der Querfront eine Absage« zur Blockade auf.