»Opfergruppe anerkennen«

Vor kurzem wurde in Hamburg der Zentralrat der Asozialen gegründet. Er möchte die »selten entschädigte und in der Gedenkpolitik beider deutscher Staaten bislang ignorierte Gruppe der im Nationalsozialismus als sogenannte ›Asoziale‹ Verfolgten« vertreten. Tucké Royale ist Erster Sprecher des Zentralrats (http://zentralrat-der-asozialen.de).

Wie kam es zu dem Entschluss, den Zentralrat zu gründen?
Ich hatte die Idee schon während des Studiums, habe sie aber lange vor mir hergeschoben. Irgendwann habe ich doch begonnen, zu dem Thema zu arbeiten, und beschlossen, es osmotisch auf der Grenze zwischen Kunst und Politik anzugehen. Grundsätzlich fand ich es gut, für eine vergessene Opfergruppe einen Zentralrat zu gründen. Natürlich stellen sich nach 70 Jahren Fragen: Wer kann diese Opfergruppe repräsentieren? Ist das überhaupt legitim?
Sitzen im Zentralrat ehemals von den Nazis verfolgte Menschen?
Wir haben Kontakt zu Angehörigen, zu Überlebenden persönlich nicht. Das ist auch eine Frage des Alters. Ich weiß von einigen Gedenkstätten, zu denen Überlebende kürzlich an den Jahrestagen der Befreiung gekommen sind. Diese Menschen sind aber schon sehr alt. Seit unserer Gründung melden sich aber alle paar Tage Angehörige beispielsweise wegen Filmen, die sie über Familienmitglieder gemacht haben, oder um uns Akteneinsicht anzubieten. Das ist toll.
Wie viele Leute gehören zum Zentralrat?
Wir haben mit sieben Leuten angefangen. Der Kreis hat sich aber vergrößert. Es gibt eine Seilschaft in Hamburg, die besteht aus mehr als 20 Personen. In Berlin muss sich das erst noch finden, aber ich erhalte ganz gute Reaktionen.
In welchem Verhältnis stehen Sie zu anderen Zentralräten?
Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zu den anderen Zentralräten. Ich fände es sehr gut, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es ist die Frage, ob die anderen Zentralräte uns ernst nehmen. Gedenkstätten tun das bereits und laden uns ein.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ziemlich große. Es gibt den festen Plan, uns an die Bildungsministerien aller Länder zu wenden, um eine ressentimentfreie Erwähnung der Opfergruppe »Asoziale« in Schulbüchern und im Unterricht einzufordern. Des Weiteren wollen wir die Bundesregierung auffordern, die Opfergruppe anzuerkennen und die Entschädigungspolitik dahingehend noch einmal zu besprechen.