Der Prozess gegen Manager der Deutschen Bank

Die Deutsche Bad Bank

In München hat der Prozess gegen drei Führungsgenerationen der Deutschen Bank begonnen.

Bis September wird es an vielen Dienstagen dieses erbauliche Bild geben: Noch- und Ex-Manager der Deutschen Bank müssen auf der Anklagebank der Fünften Strafkammer des Landgerichts München Platz nehmen. Insgesamt 16 Termine hat das Gericht für den Prozess gegen den derzeitigen Co-Vorsitzenden Jürgen Fitschen, die ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann und Rolf-Ernst Breuer und die beiden ehemaligen Manager Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck vorgesehen. Sie sollen vor einem anderen Gericht gelogen und sich zu diesem Zweck verschworen haben. Die Staatsanwaltschaft München will der Fünferbande versuchten Prozessbetrug im Verfahren um Schadenersatz für den Medienmogul Leo Kirch nachweisen. Die Deutsche Bank ist das Flaggschiff des deutschen Kapitals, ja der bundesrepublikanischen Wirtschaft. Mit der Einhaltung von Recht und Richtlinien – mit der, wie es im Angelsächsischen so schön heißt, »Compliance« – haben die Herren in der Vorstands­etage der Frankfurter Zwillingstürme Mühe.

Der Prozess in München arbeitet nur einen von einer ganzen Reihe erheblicher Regelverstöße auf, die zu strafrechtlichen Ermittlungen und Einschreiten der Aufsicht in verschiedenen Ländern geführt haben. »In fast jedem größeren Fall mit internationalem Bezug gehört die Deutsche Bank zum Kreis der Verdächtigen«, stellt die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fest, in der Kleinaktionäre der Deutschen Bank organisiert sind. »Um derartige Untersuchungen zu beenden oder abzuwenden, hat die Deutsche Bank AG in den vergangenen Jahren immense Strafzahlungen geleistet.« Die Schutzvereinigung fordert, dass die am 21. Mai tagende Hauptversammlung der Deutschen Bank einen Sonderprüfer einsetzt, der untersucht, ob Vorstand und Aufsichtsrat Pflichten verletzt und der Bank Schaden zugefügt haben. Sie begründet das mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten im Handel mit Euro- und Yen-Zinssatz-Derivaten, fragwürdigen Hypothekengeschäften in den USA, einer Zivilklage des Bundesstaats Virginia gegen die Deutsche Bank und weiteren unerfreulichen Vorfällen.
Vor kurzem verhängten die britische und die US-amerikanische Aufsicht eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar wegen Manipulationen am Referenzzins Libor. Zu den alten Fällen kommen neue: Im Raum steht der Verdacht, dass die Deutsche Bank beim Handel mit CO2-Emissionsrechten geholfen hat, den Staat um 800 Millionen Euro Steuern zu betrügen. Den Aktionären hätte es sicher besser gefallen, hätte die Deutsche Bank insgesamt mehr als sechs Milliarden Euro nicht für diverse Strafen ausgegeben, sondern als Dividenden ausgeschüttet. Dafür wird an anderer Stelle die Rendite optimiert. Die Deutsche Bank will dazu unter anderem 200 von 700 Filialen in der Bundesrepublik schließen und eine noch unbekannte Zahl an Jobs streichen.
Vielleicht hat sich in der Deutschen Bank und im Handeln der verantwortlichen Manager in den vergangenen Jahren gar nicht viel geändert. Womöglich agieren sie nicht so viel anders als einst Hermann Josef Abs, der die von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zerschlagene Bank wieder aufbaute. Aber die internationalen Spielregeln haben sich geändert. Verstöße gegen die »Compliance« sind in den USA kein Kavaliersdelikt, die Regeln der dortigen Finanzaufsicht sind scharf und sie werden überwacht. Nicht ohne Grund sind Teile der deutschen Finanzindustrie gegen eine Harmonisierung der Richtlinien für ihre Branche dies- und jenseits des Atlantiks im Zuge des Freihandelsabkommens TTIP zwischen der EU und den USA.

Die Manipulationen am Referenzzins Libor fallen in den Verantwortungsbereich des jetzigen Co-Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain, der die Deutsche Bank gemeinsam mit Fitschen seit 2012 führt. Für Cicero Online ist die Lösung des Problems einfach. »Die Paten müssen weg«, schreibt man dort zu Fitschen und Jain. »In der Politik hätten die beiden längst zurücktreten müssen und das völlig zu Recht.« Auch der Spiegel fordert: »Der führende Finanzkonzern des Landes braucht eine neue Führung.« Der Blick auf die Anklagebank im Münchner Prozess zeigt, dass es damit sicher nicht getan ist. Bei der Deutschen Bank hat nicht nur die derzeitige Spitze ein Problem mit der Gesetzestreue. Angeklagt sind jene Manager, die in den vergangenen 18 Jahren das Sagen hatten – Mitglieder dreier Führungsgenerationen. Der Angeklagte Ackermann hat bereits eingehende Erfahrung mit dieser Rolle, was seinem Ansehen im Kreise der Wirtschaftselite nicht geschadet hat. Legendär ist sein Victory-Zeichen, als er 2004 im Mannesmann-Prozess das Gericht betrat. Bei dem Prozess gegen mehrere frühere Aufsichtsräte und ehemalige Vorstände ging es um Prämienzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe, die Manager bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone bekamen – für nichts. Gegen Geldauflagen – Ackermann musste 3,2 Millionen Euro zahlen – wurde das Verfahren nach fast drei Jahren eingestellt. Er konnte Chef der Deutschen Bank bleiben.

Provozierende Gesten sparen sich die Angeklagten im Münchner Prozess. Sie treten betont ernst auf. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Früher mussten Manager sehr selten ins Gefängnis. Das ist heutzutage anders. 2013 wurde der ehemalige Vorstand der Landesbank Bayern, Gerhard Gribkowsky, wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu achteinhalb Jahren verurteilt. Uli Hoeneß, dessen Anwalt nun Fitschen verteidigt, landete ebenso im Gefängnis wie der frühere Bertelsmann-Manager und spätere Vorstandsvorsitzende von Arcandor, Thomas Middelhoff, der auch im Münchner Verfahren eine Rolle spielt. Unter Vorsitz des Richters Peter Noll, der in Uttig am Ammersee für die Grünen im Gemeinderat sitzt, soll das Landgericht München herausfinden, ob die angeklagten Führungskräfte im Prozess um Schadenersatz für Kirch bewusst gelogen haben. Die Banker bestreiten das. Der Hintergrund: Als Vorstandsvorsitzender gab der Angeklagte Breuer im Februar 2002 dem Sender Bloomberg ein Interview, in dem er den damaligen angeschlagenen Medienmogul Kirch für nicht mehr kreditwürdig erklärte. Dessen Imperium brach danach zusammen, im April 2002 war er pleite. Kirch gehörten Sat1 und Pro7, er war an der Formel 1 und zu 40 Prozent am Springer-Verlag beteiligt. »Erschossen hat mich Rolf«, sagte der gute Freund von Helmut Kohl später. Er glaubte, dass Breuer seinem Imperium den Todesstoß geben wollte, damit die Deutsche Bank am Zerfall kräftig verdienen konnte. Kirch zog vor Gericht, um Schadenersatz zu erstreiten.

Interessante Details kamen ans Licht: Wenige Tage vor dem Interview hatte sich Breuer mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Middelhoff, der zu dieser Zeit Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann war, getroffen. Dabei ging es nach Auffassung der Richter des Münchner Oberlandesgerichts um die Zukunft des Kirch-Imperiums – der Konkurrenz von Bertelsmann. Die Bank hatte bereits Pläne für die Zerschlagung des Kirch-Besitzes geschmiedet. Kirch starb 2011, seine Erben setzten den Rechtsstreit fort – mit Erfolg. Das Oberlandesgericht München erkannte 2012 einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung an. Die Deutsche Bank und die Erben schlossen im Februar 2014 einen Vergleich, die Deutsche Bank zahlte 925 Millionen Euro. Für die nun angeklagten Manager hat dieses Verfahren ein Nachspiel, weil sie sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft abgesprochen haben, um mit falschen Angaben in diesem Prozess die Forderung nach Schadenersatz abzuwehren. Weil das Gericht ihnen damals nicht glaubte, werden sie nur wegen versuchten gemeinschaftlichen Prozessbetrugs in einem besonders schweren Fall angeklagt.
Fast fünf Stunden dauerte die Verlesung der Anklageschrift beim Prozessauftakt. Die Manager hätten einen gemeinsamen »Tatplan« gehabt, so Staatsanwältin Christiane Serini. Nur Fitschen habe sich nicht ganz daran gehalten. »Der Angeklagte Fitschen machte bei seiner Anhörung vage und in sich nicht schlüssige Angaben«, sagte Serini. Er soll versucht haben, Falschaussagen zu vermeiden, ohne die Abwehrstrategie der Kollegen zu torpedieren. »Anklage: Fitschen war Mitläufer bei Betrugsversuch«, so die FAZ. Vielleicht kann Fitschen seinen Job behalten. Dann könnte er den gemeinsam mit Jain beim Amtsantritt verkündeten »Kulturwandel« bei der Deutschen Bank weiter im Zeitlupentempo vorantreiben. Doch was das Geldhaus braucht, ist eine Kulturrevolution. An der arbeiten NGOs, kritische Aktionäre, Menschenrechtsgruppen und andere Aktivisten seit langem. Was sie der Deutschen Bank vorwerfen, wiegt schwerer als eine Falschaussage – die Vorwürfe reichen von Agrarspekulationen, die zu Hunger und Unterernährung beigetragen haben, über Kredite für Kriegstreiber und Rüstungsgeschäfte bis zur Finanzierung von Klimakillern wie Kohlekraftwerken. Allerdings ist das alles nicht justiziabel.