Der ultimative Europa-Rettungsplan

Wie ich Europa rettete

Jörn Schulz übersetzt Alexis Tsipras

Über meinen Amtssitz fiel die Dunkelheit, nur erhellt vom Feuerschein der Molotow-Cocktails einiger unermüdlicher Anarchisten. »Für Benzinverschwendung reicht das Geld also noch«, hatte Schäuble gerade am Telefon gewettert. »Erhöhen Sie sofort die Benzinsteuer!« Vom vielen Hackenzusammenschlagen taten mir die Füße weh, also setzte ich mich und nahm eine Zeitung, um die Stellenanzeigen zu studieren. Aber es gab keine Stellenanzeigen, und fliehen konnte ich auch nicht, seit die Deutschen die Flughäfen kontrollierten und ich das Gesetz zur Steigerung der Arbeitsfreude unterschrieben hatte, das es allen Griechen untersagte, sich ohne Sondergenehmigung der Troika weiter als 100 Meter von ihrem Arbeitsplatz zu entfernen. Wenigstens den Ouzo hätten sie mir lassen können, dachte ich, aber über Ausnahmen vom Maßhaltegesetz wollte Prätor Sarrazin einfach nicht mit sich reden lassen. Ich nickte ein, aber der Elektroschock weckte mich sofort wieder auf. Richtig, die vorgeschriebene Mindestarbeitszeit war ja noch nicht zu Ende. Dieses verdammte elektronische Armband. Abbezahlt hatte ich es auch noch nicht.
Gab es keine Hoffnung mehr? Ich blätterte in einem Buch über Philosophie. »Die den ganzen Tag mit anderen zusammenhocken, verantwortungslos reden und Dummheiten aushecken – mit solchen Leuten hat man’s schwer.« Ja, recht hat er, der Konfuzius, von diesen EU-Gipfeln hatte ich wirklich die Schnauze voll, aber da repräsentierte mich jetzt ohnehin der Prätor. Was sagten die alten Griechen? »Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit.« Schon richtig, Herr Platon, aber das nützt mir jetzt auch nichts. Vielleicht was Moderneres, von einem erfolgreichen Politiker und Geschäftsmann: »Halte deine Freunde nahe bei dir, aber deine Feinde noch näher.« Kluger Bursche, dieser Corleone, das konnte ein Anfang sein. Was sagte er noch? »Politik ist zu wissen, wann man abdrückt.« Gleich kamen mir ein paar Ideen. Jetzt nur nichts falsch machen, dachte ich. Wozu haben wir unser Orakel in Delphi? Schnell die Sondergenehmigung geholt, dann schaue ich da gleich mal vorbei.

Oh weises Orakel! Gebeutelt bin ich und geschunden. Bedrängt von meinen Feinden …
Quatsch nicht so viel. Ich weiß, warum du hier bist. Schließlich bin ich das Orakel. Willst du einen Keks?
Ja, gerne. Also, ich dachte mir, weil die Merkel mich ja nicht mehr mag, muss ich vielleicht etwas tun, damit sie mich wieder mag. Ich nehme die 113 Tonnen Gold aus dem Keller der Bank of Greece und lasse eine Merkel-Statue daraus gießen, die auf der Akropolis aufgestellt wird. Sie wird gerührt sein, wenn das milde Licht der Morgensonne das güldene Antlitz erglänzen lässt. Und sie wird immer wissen, wo ihr Gold ist.
Ich sehe einen grimmigen Mann im Rollstuhl, der seine Statue vermisst. Und ich sehe kein Gold mehr im Keller der Bank of Greece.
Hmm, ja. Vielleicht so: Ich nehme die 113 Tonnen Gold aus dem Keller der Bank of Greece und verstecke sie. Ich lasse eine Merkel-Statue aus Beton gießen, die mit Katzengold überzogen und auf der Akropolis aufgestellt wird. Sie wird gerührt sein, wenn das milde Licht der Morgensonne das güldene Antlitz erglänzen lässt. Und sie wird immer glauben zu wissen, wo ihr Gold ist.
Ich sehe einen Hagelschauer. Ich sehe nackten Beton. Ich sehe eine sehr, sehr wütende Frau.
Okay, vergessen wir die Statue. Bleiben wir beim Gold. Schäuble sagt zwar: »Rien ne va plus«, aber zum Glück gibt es ja noch den Casino-Kapitalismus. Wir nehmen das Gold, fliegen nach Las Vegas und setzen alles auf Rot.
Ich sehe einen dicken Mann in einem Striptease-Club, der einer Tänzerin Geldscheine …
Kammenos! Dieser Schlawiner, ich hätte ihn längst …
Unterbrich mich nicht. Ich sehe einen wütenden Casino-Besitzer, der keine 113 Tonnen Gold im Keller hat. Ich sehe eine Pistole mit Schalldämpfer. Ich sehe Neuwahlen.