»Weniger Herrschaft wagen kann Sinn machen«

Marco Höne ist Vorstandsmitglied der Partei »Die Linke«. Am Montag voriger Woche forderte er, Hausbesetzungen als Mittel gegen steigende Mieten, Verdrängung und Immobilienspekulation zu legalisieren.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Vorstoß, Hausbesetzungen zu legalisieren?
Neben sehr erfreulichen positiven Äußerungen gab es die üblichen antisozialistischen Beißreflexe. Der Deutsche Immobilienverband hat behauptet, der im Grundgesetz verankerte Schutz des Eigentums würde durch meinen Vorschlag verletzt. »Hausfriedensbruch ist eine Straftat und bleibt eine Straftat« – als gäbe es keine Legislative, die auch mal Sachen ändern kann. Die Besetzer würden nach meinem Vorschlag aber nicht zu Eigentümern, sondern lediglich zu vorübergehenden Besitzern.
Wie würde das denn juristisch funktionieren?
Hausbesetzungen gelten nach Paragraph 123 Strafgesetzbuch als »Hausfriedensbruch«, was aber abseits des juristischen Mainstreams umstritten ist. In den Niederlanden gab es bis vor ein paar Jahren das sogenannte »Kraaken«. Sobald ein Haus über ein Jahr leerstand, hat man eine Matratze reingelegt, einen Tisch und einen Stuhl reingestellt, dann war der Hausfrieden hergestellt, die Polizei durfte nicht einfach räumen. Man könnte das Modell übernehmen. Haus­besetzungen bekämen als »fehlerhafter Besitz« – so hieße das dann im Juristendeutsch – den Hausfrieden zugesprochen.
Wie könnten Hausbesetzungen Probleme auf dem derzeitigen Wohnungsmarkt lösen?
In der Vergangenheit waren Hausbesetzungen durchaus ein sinnvolles Instrument, um bei Konflikten in Vierteln, in denen Verdrängung stattfindet, Gegenbewegungen zu schaffen und Freiräume zu erobern. Die Wohnungsknappheit kann man damit zwar nicht beenden – dafür sind die Leerstände zu gering –, aber es sollen beispielsweise in Hamburg immerhin 2 000 bis 3 000 Wohnungen leerstehen. Und das im härtesten Wohnungsmarkt in Deutschland.
In welchem Verhältnis sehen Sie Hausbesetzungen zur Möglichkeit einer staatlichen Regulierung des Wohnungsmarktes?
Ich finde beides richtig. Der Staat muss wieder viel mehr Sozialwohnungen fördern, die Mietpreisbremse hätte man auch schärfer halten können. Es kann aber auch sinnvoll sein, von Staats wegen weniger Herrschaft zu wagen, also den Leuten die Möglichkeit zu geben, vor Ort in einem legalen Rahmen auf Missstände zu reagieren.