In Spanien sollte ein jüdischer Reggae-Musiker boykottiert werden

Clowns in Aufruhr

Eine Boykottkampagne gegen einen jüdischen Reggaekünstler hat in Spanien zu großen Diskussionen geführt.

Im spanischen Benicàssim endete am Wochenende das Rototom Sunsplash, das als das größte Reggaefestival der Welt gilt. Unter dem Motto »We have a dream« feierten, tanzten und kifften dort eine Woche lang Hunderttausende Fans zu Musik von Sean Paul, Lauryn Hill, Shaggy oder Lee Scratch Perry. Kurz vor Beginn des Festivals aber war es nichts mit Peace, Love und Unity. Denn das Festival, das sich als Event für die Menschenrechte versteht und jedes Jahr ein umfangreiches kulturelles und politisches Nebenprogramm auf die Beine stellt, hatte den US-amerikanischen Reggaemusiker Matisyahu als einen der Hauptacts gebucht. Matisyahu, der 2007 für den Grammy nominiert war, ist aber nicht nur ein berühmter Reggaestar, sondern zugleich bekennender Jude und ein Freund Israels, der unter anderem in einem Interview das gewalttätige Vorgehen Israels gegen die Free Gaza Flottilla 2010 verteidigt hat. Grund genug für viele, »Nazisyahu«, wie er bisweilen in Internet-Diskussionen genannt wurde, aus der One Family ausschließen zu wollen.

Der lokale Ableger der antiisraelischen Gruppe Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) startete unter dem Hashtag »#NoPeaceWithMatisyahu« eine Kampagne gegen den Auftritt des Musikers. Er sei »Zionist«, mitschuldig am »Genozid« und Teil der israelischen Strategie, die »ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes« durch kulturelle Spektakel unsichtbar zu machen, so BDS Valencia in einer Erklärung. Die Kampagne fand schnell weite Verbreitung, die Organisatoren des Festivals schlossen sich der Argumentation der Antizionisten an und forderten von dem Musiker eine Stellungnahme. Bevor er auftreten dürfe, müsse Matisyahu sich für einen palästinensischen Staat und gegen jede Form des Kriegs und der Gewalt aussprechen, am besten in Form einer Videobotschaft. Matisyahu lehnte ab, woraufhin das Festival seinen Auftritt absagte.
Der Vorfall entwickelte sich schnell zu einem internationalen Skandal. Als die Kritik nicht abriss, sahen sich die Veranstalter gezwungen, Matisyahu wenige Tage später wieder einzuladen. In einer Erklärung entschuldigten sie sich bei dem Künstler, sprachen sich gegen Antisemitismus aus und gaben als Beweggrund für ihre Ausladung den großen Druck seitens der Boykottbewegung an. Man habe befürchtet, sein Auftritt könne das ganze Festival gefährden. Tatsächlich gab es nun ein paar vereinzelte Absagen von Künstlern, politischen Gruppen sowie der Clownsarmee. Für die antizionistische Linke ein klarer Fall: Die »mächtige zionistische Lobby« habe es geschafft, das Festival zu diesem Rückzieher zu zwingen, so die einhellige Meinung in linken Internetportalen und Stellungnahmen.

Der Großteil der spanischen Linken teilt die von der BDS-Gruppe vertretene Ansicht, dass der ­Zionismus ein neokoloniales, rassistisches Projekt darstelle und Israel ein Apartheid-Staat sei. Mit der selben Begründung hatten auch die Protestpartei Podemos und das Linksbündnis Izquierda die Ausladung unterstützt. Mit Antisemitismus will natürlich niemand was zu tun haben. Der Boykottaufruf habe sich nur gegen den Zionisten, nicht gegen den Juden Matisyahu gerichtet. Außerdem könne man gar nicht antisemitisch sein, wenn man sich für das palästinensische Volk einsetze, da die Palästinenser ja selber Semiten seien, erklärte BDS Valencia.

Nach der erneuten Einladung Matisyahus, die dieser annahm, war dann alles wieder friedlich auf dem großen Fest für die Menschenrechte. Es wurde eifrig zu Musik von Capleton getanzt, der in seinen Texten zum Mord an Schwulen aufruft, während im Zelt nebenan über Chemtrails und deren Bedeutung für den Klimawandel diskutiert wurde. Und am Ende des Festivals stand Matisyahu auf der Bühne und sang vor Zehntausenden seinen Hit »Jerusalem« – während im Publikum riesige Palästina-Fahnen geschwenkt wurden. »Diese Nacht war schwierig, aber besonders«, schrieb der Künstler anschließend auf seiner Facebook-Seite.