Pegida-Gegner werden in Bayern juristisch verfolgt

Münchner Linie

In der bayerischen Landeshauptstadt geht die Justiz hart gegen Pegida-Gegendemonstranten vor. Ein Antifaschist sitzt seit Wochen in Untersuchungshaft, zwei wurden bereits zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Die Kampagne »Not Alone« möchte deshalb für Öffentlichkeit und Geld sorgen.

»Die nächsten drei Jahre werde ich erstmal die Füße still halten und bei größeren Demos gleich daheim bleiben«, erklärt der 22jährige im Gespräch mit der Jungle World. Das Amtsgericht München hat den Antifaschisten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilte soll im Rahmen von Protesten gegen den Münchner ­Pegida-Ableger Bagida im Januar einen 20 Kilogramm schweren und 1 Meter 80 hohen Güterrollwagen in Richtung eines Polizisten entweder geworfen oder geschoben haben – da unterscheiden sich die Aussagen der als Zeugen geladenen Polizeibeamten. Der betroffene Beamte fiel zu Boden, verletzte sich jedoch nicht. »Das war für mich ganz klar ein politischer Prozess«, meint der Verurteilte.

Die Geschichte des 22jährigen ist kein Einzelfall. »Wir schätzen, dass aktuell zwischen 30 und 40 Personen, die an Protesten gegen Bagida teilgenommen haben, Verfahren zu erwarten oder Post von Polizei und Staatsanwaltschaft bekommen haben«, erklärt Pia Larsson, Pressesprecherin der Antirepressionskampagne »Not Alone« aus München, im Gespräch mit der Jungle World. »Not Alone« sammelt Geld für Prozesskosten und versucht, unter anderem mit Demonstrationen auf die Fälle aufmerksam zu machen. Der Antifaschist Paul etwa sitzt seit seit dem 20. Juli in Untersuchungshaft. Bei einem Protest gegen Bagida führte er eine kleine Fahne mit sich, die von der Polizei als Waffe betrachtet wurde. Aufgrund vermeintlicher Fluchtgefahr – er habe bei der Festnahme keine Meldeadresse angeben können –, wartet Paul im Gefängnis auf seinen Prozess. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Ein weiterer Antifaschist wurde bereits zu neun Monaten auf Bewährung und 150 Arbeitsstunden verurteilt.
Seit Januar dieses Jahres versammeln sich fast wöchentlich Bagida-Anhänger zu sogenannten Spaziergängen. Wie im Rest Deutschlands schrumpft auch in München die Pegida-Bewegung. Waren es zu Beginn noch über 1 000 Teilnehmer, kommen heute meist nur einige Dutzend, darunter Leute wie André Eminger, Angeklagter im NSU-Prozess. »Die Bagida-Spaziergänge interessieren die Medien kaum mehr«, glaubt Pia Larsson. Die Stadt stehe nicht unter Druck, die Polizei könne frei agieren. Für die Polizei biete das die Möglichkeit, hart gegen Gegendemons­tranten vorzugehen. »Die Münchner Linie eben«, so Larsson. Regelmäßig nimmt die Polizei bei Bagida-Spaziergängen Gegendemonstranten fest. »Die Abschreckungsstrategie geht auf«, sagt der verurteilte 22jährige. Inzwischen gebe es kaum noch Gegenproteste. Die Stadt habe keine Lust, jede Woche ein riesiges Polizeiaufgebot zu stemmen.
»Ob jetzt eine Repressionswelle vorliegt, lässt sich schwer einschätzen«, sagt der Münchner Rechtsanwalt Markus Fischer der Jungle World. »Ich kann nur von meinen Fällen sprechen. Dabei lässt sich schon sagen, dass die Justiz härter als sonst durchgreift, eher eine Bewährungs- als eine Geldstrafe ausspricht«, so Fischer, der unter anderem Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein ist. »Warum jetzt gerade gegen diese spezifischen linken Demos so hart vorgegangen wird, dafür habe ich keine wirkliche Erklärung«, sagt der Jurist. Bei den Rechten sei es wohl nicht so heftig.

Pauls Prozess beginnt vermutlich frühestens im September. Der eingangs erwähnte Antifaschist, der zu sieben Monaten verurteilt wurde, ist in Berufung gegangen. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Sie ist der Meinung, die Strafe von sieben Monaten werde dem Unrechtsgehalt der Straftat nicht gerecht.