Das Verhältnis zwischen Rassismus, Unbildung und Ostdeutschtum

Von Sachsen und anderen Deutschen

Es stimmt und es stimmt nicht, dass Rassismus hauptsächlich ein Problem ungebildeter Ostdeutscher ist.

Angesichts des völkischen Mobs in Orten wie Freital und nun auch Heidenau fallen unweigerlich zwei Sätze, und beide sind ebenso richtig wie unzutreffend. Der eine: »Es ist kein sächsisches/ostdeutsches Problem, sondern ein deutsches.« Es stimmt, dass man nicht extra ins Erzgebirge oder die Sächsische Schweiz reisen muss, um den hässlichen Deutschen in freier Wildbahn zu beobachten. Auch im sich seiner Liberalität rühmenden Hamburg findet man die Hassbürger, die je nach Kontostand mit Angriffen auf Helfer oder per Anwalt gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft vorgehen. Wahr ist jedoch auch, dass dieses Deutschland nirgends so ungestört unter und bei sich ist wie in seiner hintersten Ecke, dem geistig niemals gelüfteten »Tal der Ahnungslosen«, das seinerzeit nicht einmal vom Westfernsehen erreicht wurde. Sachsen, das ist da, wo NSU-Terroristen nicht weiter auffallen, weil die Nachbarn selbst ein Hitler-Porträt im Keller hängen haben. Sachsen ist Pegida. Und mit dem allergrößten Respekt vor der Handvoll Mutiger, die sich gegen die braune Alltagskultur stellen wie die kleine Initiative zur Unterstützung der Asylsuchenden in Freital: Mehr praktische Beweise für die Existenz jener sagenumwobenen Fabelwesen, der anständigen Sachsen, wären überzeugender als das Rumgeheule, man dürfe nicht alle Bewohner des Freistaats pauschal für Rassisten und Nazis halten.
Der zweite Standardsatz lautet: »Es ist keine Frage mangelnder Bildung.« Wahr ist daran, dass ein Abitur niemanden daran hindert, ein rechter Drecksack zu sein. So etwas qualifiziert beispielsweise zum Innenminister.
Richtig ist aber auch, dass Denkresistenz es ungemein erleichtert, seinen Ressentiments freien Lauf zu lassen, ohne auch noch Argumente dafür suchen zu müssen. Dass Dummheit und Nazisein so wunderbar zusammenpassen, ist keine Verharmlosung, sondern umso beunruhigender. Und nicht zuletzt gehört zur Bildung auch die simple Grundlektion: »Sei kein Arschloch.« Das sollte für Schulabbrecher wie Akademiker gleichermaßen verständlich sein, aber da offenbart sich hierzulande der wahre Bildungsnotstand. Und in den Empathiemangelgebieten im Osten ist er besonders gravierend. Kollegin Elke Wittich hat den Unterschied per Twitter auf den Punkt gebracht: »In West-Kleinstädten mag man zwar auch keine Fremden, aber wenn sie schon mal da sind, dann guckt man, was sie brauchen könnten.«
Das kann kein Loblied auf das andere, das »bessere Deutschland« sein, zumal niemand ausschließen kann, dass der nächste Volksmob sich in einem bayerischen oder niedersächsischen Städtchen zusammenrottet. Zudem müsste man dann als irgendwie gut bezeichnen, dass angesichts der humanitären Katastrophe vor der eigenen Haustür besorgte Bürger mehr leisten als die Behörden und wenigstens die schlimmste Not lindern. Deutschland ist auch darin ganz bei sich, dass die Regierung sich jahrelang darauf verlassen hat, das Mittelmeer und per definitionem sichere Drittstaaten würden schon dafür sorgen, dass die steigenden Flüchtlingszahlen unsere selbstzufriedene Insel der Seligen nicht betreffen werden. Und überhaupt könnte ein besseres nur gar kein Deutschland sein. Derartige Wunschträume helfen aber niemandem in den Turnhallen und Zeltlagern. In der momentanen Situation muss man schon froh sein über jeden auch nur nicht ganz so hässlichen Deutschen.