Razzia gegen libertäre Linke in Barcelona

Terror wie im Buch

Erneut wurden in Spanien libertäre Linke unter Terrorismusvorwurf verhaftet.

Die Razzia begann um sechs Uhr morgens. Am 28. Oktober drangen schwerbewaffnete, maskierte Polizeieinheiten in mehrere soziale Zentren, Wohnungen und besetzte Häuser in Barcelona ein. Während die Polizisten Bücher wie »Mein Katalonien« von George Orwell oder »Die Anarchie funktioniert« achtlos auf den Boden schmissen, war ein Titel begehrt: »Gegen die Demokratie«, ein schmales Buch, in dem aus anarchistischer Sicht subversive Theorie erörtert wird – alles andere als ein Handbuch für Stadtguerilleros, es geht weder um Sprengstoff noch um Waffen.
Gleichwohl wurde der Besitz dieses auch im Internet veröffentlichten Textes in der richterlichen Anordnung der Razzia als Nachweis der Zugehörigkeit zu einer »kriminellen Organisation mit terroristischen Zielen« angeführt. Denn Herausgebende des Buches sind die Grupos Anarquistas Coordinados (GAC). Bei diesem losen Netzwerk anarchistischer Gruppen soll es sich, so die Untersuchungsrichter des spanischen Gerichtshofs Audiencia Nacional, um Terroristen handeln. Als Beweis wurde wie bereits in früheren Fällen angeführt, dass die Verhafteten verschlüsselt über den US-Server Riseup kommuniziert haben (Jungle World 3/2015).

Mit den gleichen juristischen Konstrukten wie bei der Razzia Ende Oktober, dem zweiten Teil der »Operación Pandora«, hatten sich bereits die »Operación Pandora« vom 16. Dezember 2014 und die »Operación Piñata« vom 30. März dieses Jahres gegen die GAC gerichtet. Innerhalb eines Jahres wurden so 61 libertäre Linke unter Terrorismusverdacht inhaftiert. Bis auf einen der am 28. Oktober Verhafteten befinden sich alle Betroffenen mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Konkrete Tatvorwürfe wurden bis jetzt nicht genannt. Da die Haftbefehle gegen alle Verdächtigen aber der Geheimhaltung unterliegen, wird der Eindruck erweckt, ein gefährliches Terrornetzwerk müsse ausgehoben werden.
Neben anarchistischen Gruppen und Gewerkschaften protestierten Abgeordnete der neuen Partei Podemos und die von den sozialen Bewegungen unterstützte linke Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, gegen den Versuch, die anarchistische Strömung zu kriminalisieren. Das linksnationalistische und antikapitalistische katalanische Parteienbündnis CUP sagte einen Verhandlungstermin mit den katalanischen Nationalisten der Partei Junts pel Sí über die gemeinsame Wahl eines Ministerpräsidenten ab.

Die libertäre Bewegung geht offensiv mit dem Terrorismusvorwurf um. »Wenn es Terrorismus ist, diejenigen zu unterstützen, die ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können, sind wir Terroristen«, erklärte eine Sprecherin des durchsuchten Libertären Zentrums von Sants. Emili Cortavitarte von der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CGT betonte, »die verhafteten Libertären sind Personen, die aktiv an den sozialen Bewegungen teilnehmen«, die »gegen die Zwangsräumungen, die Schließung von Betrieben, Entlassungen, die Prekarität kämpfen«. Die linkskatalanische CUP kritisierte dagegen, die katalanische Polizei, die Mossos d’Esquadra, führe mit der Razzia willfährig Anordnungen eines spanischen Gerichtes aus und dies dürfe in einer unabhängigen katalanischen Republik nicht mehr vorkommen.
Llibert, ein libertärer Sprecher, sagte, tatsächlich sei die Razzia von Katalonien ausgegangen: »Erdacht wurde diese Aktion in der Informationsbrigade der Mossos«. Am dritten Tag nach ihrer Festnahme wurden acht der neun Inhaftierten freigelassen, vergangene Woche veröffentlichten sie eine Erklärung, in der sie das katalanische Innenministerium und die Mossos d’Esquadra als »unmittelbar verantwortlich für diese jüngste repressive Aggression« benannten: »Dies liefert uns ein sehr genaues Bild, was die reale Basis des sogenannten ›Unabhängigkeitsprozesses‹ bildet und lässt den perversen Gehalt der diesen begleitenden Rhetorik von Befreiung deutlich werden.« So widersetzt sich die libertäre Bewegung auch in ihrer Kritik an der gegen sie gerichteten Repression der sezessionistischen Propaganda.