Pakistan richtet einen Islamisten wegen Mordes hin

Jihadist am Galgen

In Pakistan wurde der Islamist Mumtaz Qadri wegen Mordes an dem Gouverneur Salman Taseer gehängt. Dieser hatte sich für eine Änderung des Blasphemiegesetzes eingesetzt. Vielen gilt Qadri als Held, anderen sehen das Todesurteil als Hoffnungsschimmer im Kampf gegen den Jihadismus.

Am Montagmorgen ist der Mörder von Salman Taseer gehängt worden. Malik Mumtaz Hussain Qadri hatte zugegeben, den Gouverneur von Punjab im Januar 2011 in Islamabad erschossen zu haben. Qadri arbeitete damals als Leibwächter für Taseer, für den Mord wurde er 2011 zum Tode verurteilt. Er verteidigte sich damit, nach den Vorschriften des Islam gehandelt zu haben. Taseer hatte sich für eine Änderung des umstrittenen Blasphemiegesetzes ausgesprochen, das für »Beleidigung des Islam« die Todesstrafe vorsieht. Unter anderem hatte er sich für die Freilassung der unter diesem Gesetz 2010 zum Tode verurteilten Christin Asia Bibi eingesetzt, deren muslimische Dorfnachbarinnen sie wegen eines Konflikts um Trinkwasser der Beleidigung des Propheten Mohammed bezichtigt hatten. Taseer, ein Unternehmer und Politiker der damaligen Regierungspartei PPP (Pakistanische Volkspartei), war zudem ein Gegner der Taliban. Sein Parteifreund Shahbaz Bhatti, das einzige christliche Kabinettsmitglied, der das Blasphemiegesetz ebenso kritisiert hatte, wurde nur einige Wochen später von Taliban erschossen.
Nicht nur von Islamisten wird Qadri für seine Tat als Held verehrt. Bereits bei der Urteilsverkündung gab es Proteste, der Richter musste aus Angst um seine Sicherheit aus dem Land fliehen. Nun sind in ganz Pakistan die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft. Die Hinrichtung fand unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt und wurde nicht öffentlich angekündigt. Die Hauptstraße Islamabads wurde aus Angst vor Massenprotesten teilweise gesperrt und einige Schulen wurden geschlossen. Nachdem sich die Nachricht von der Vollstreckung des Urteils verbreitet hatte, kam es in mehreren Städten zu Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern.
Andererseits gilt die Hinrichtung vielen als Anlass zur Hoffnung. Selbst in Pakistans liberaler Tageszeitung The Dawn gingen die Stimmen unter, die in den Kommentarspalten darauf hinwiesen, dass die Todesstrafe generell als Mittel der Bestrafung abzulehnen sei. Vielmehr wurde die Vollstreckung des Urteils gegen Qadri als ein Sieg im Kampf gegen den Jihadismus gefeiert.
Die Hinrichtung überraschte viele, nicht nur weil der im August 2011 entführte Sohn Taseers, Shahbaz Taseer, immer noch in der Hand von Kidnappern ist, die die Freilassung ihres Helden Qadri gefordert hatten, sondern vor allem, weil sie als eine Kriegserklärung der Armee an die islamischen Hardliner im eigenen Land anzusehen ist. Schon 2007, bei der Erstürmung der roten Moschee in Islamabad, wollte die Armee den Islamisten zeigen, wer der Herr im Hause ist. Doch diese überzogen das Land daraufhin mit Terror, der auch Tausende von Zivilisten das Leben kostete – Regierung und Armee mussten den Islamisten Zugeständnisse machen. Dass Teile des Geheimdienstes selbst da noch zwischen »guten« und »schlechten« Taliban unterschieden, um mit ihnen Außenpolitik zu betreiben, war sicherlich ein Grund für das militärische Desaster.
Den nächsten Versuch unternahm die Armee Mitte 2013 mit einer großen Militäroperation in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan, die bis dahin als sicheres Rückzugsgebiet für alle Islamisten galten. Das grausame Schulmassaker im November 2014 in Peshawar, bei dem 148 Menschen, darunter mehr als 130 Kinder, von Taliban ermordet wurden, war die Antwort. Trotzdem hat die pakistanische Armee eigenen Angaben zufolge nunmehr fast alle Jihadisten aus den Stammesgebieten vertrieben; wie ihre Sprecher verlauten ließen, haben sie dieses Mal auch nicht das Haqqani-Netzwerk verschont. Dieses wurde bislang zu den sogenannten guten Taliban gezählt.
Die politischen Führer Pakistans sind derzeit nur Statisten, die Gesetze absegnen dürfen, die der Armee noch mehr Freiheiten geben, die Probleme Pakistans auf ihre Art zu lösen. Da sie die neu verabschiedeten Antiterrorgesetze auch dazu benutzt haben, selektiv korrupte Politiker festzunehmen, kommt aus deren Lager kaum noch Widerspruch. Doch die verschärften Gesetze bedrohen auch Menschenrechtsler und Journalisten, armeekritische Stimmen sind zurzeit kaum zu hören.
Dabei wissen nicht nur Experten, dass der eigentliche Kampf gegen den Terror in Pakistan erst jetzt beginnt. Die Brutstätten des Islamismus, Tausende von teils nicht regis­trierten Religionsschulen, in denen zum Hass auf Andersdenkende aufgerufen wird, machen weiter wie bisher. Doch gerade für die materiell Ärmsten Pakistans bieten diese Religionsschulen die einzige Möglichkeit, ihre Kinder unterzubringen. Neue Straßen und Metrobusse allein, die Premierminister Nawaz Sharif als Lösung des Problems propagiert, ändern kaum etwas an diesen Verhältnissen. Nur 700 000 Menschen in dem 200 Millionen Einwohner zählenden Land zahlen Einkommenssteuer. Die Großgrundbesitzer Pakistans müssen nicht einmal 0,1 Prozent an direkten Steuern auf ihre Landwirtschaftserzeugnisse abgeben. Die mit Parteimitgliedern aufgeblähten Staatsbetriebe reißen jährlich ein großes Loch in den Staatshaushalt, das mit Auslandskrediten gefüllt werden muss. Für ein funktionierendes staatliches Schulsystem fehlt dagegen das Geld.
Der Großteil der Bevölkerung hat mit dem täglichen Überleben genug zu tun und ist schon erleichtert, dass ihm nicht mehr täglich die Bomben um die Ohren fliegen. Doch Pakistan wird noch jahrelang mit vereinzelten Anschlägen leben müssen, im Januar traf es die Bacha-Khan-Universität, mehr als 30 Menschen wurden getötet. So kommt es, dass in Pakistan selbst für Liberale und Linke ein vollstrecktes Todesurteil ein Hoffnungsschimmer ist.