Neue Einsatzpläne für die Bundeswehr

Trendfarbe Wüstentarn

Die Bundeswehr rüstet wieder auf. Begründet wird dies nicht nur mit der Bedrohung durch Russland und den »Islamischen Staat«. In Afrika soll das deutsche Militär helfen, Flucht und Jihadismus einzudämmen.

Die Meldung schlug ein wie eine mittelschwere Artilleriegranate: Am 10. Mai gab Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekannt, dass die Bundeswehr bis zum Jahr 2023 um 14 300 Soldaten vergrößert werden soll. Bereits Ende Januar hatte das Bundesverteidigungsministerium verkündet, 130 Milliarden Euro in neue Panzer und Rüstungsprojekte zu investieren. Das erste Mal seit Ende des Kalten Kriegs soll die Bundeswehr also aufgerüstet werden. Begründet wird dies mit neuen Herausforderungen für die Bündnisverteidigung: Die Konflikte an der Südostgrenze der Türkei und im Osten der Ukraine stellten Bedrohungen für Mitgliedsstaaten der EU und der Nato dar. »Die Bundeswehr ist in den vergangenen Monaten gefordert gewesen wie selten zuvor«, sagte von der Leyen dem Deutschlandfunk.
Auch nach einem Abzug aus Afghanistan wird die Bundeswehr weiterhin im außereuropäischen Ausland eingesetzt werden, hierfür werden entsprechende Ressourcen benötigt. Auf den Lagekarten im Einsatzführungskommando der Bundeswehr bei Potsdam dürften sich immer mehr Pfeilspitzen auf Einsatzländerauf in Afrika richten: Westsahara, Senegal, Mali, Darfur, Südsudan, Djibuti, Somalia, Liberia. 859 Soldaten der Bundeswehr sind gegenwärtig in zehn Missionen in Afrika unter dem Mandat von EU und UN im Einsatz.
Die Rechtfertigungen für das deutsche Engagement in Afrika sind vielfältig. Deutsche Militärexperten entwerfen eine multiple Bedrohung aus Seuchen, Migration und islamistischem Terrorismus, die einen politischen und militärischen Einsatz Deutschlands für mehr Stabilität auf dem Kontinent notwendig mache. Hinzu kommen ökonomische Interessen: Bereits 2014 bezeichnete die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag in einem Strategiepapier Afrika als »Chancenkontinent«, der zukünftig als Konsummarkt und Quelle für Rohstoffe stärker erschlossen werden solle. Die Fraktion benannte explizit die Bundeswehr als Instrument.
Unter den zahlreichen Klein- und Kleinsteinsätzen – im Rahmen der UN-Mission in der Westsahara stellt die Bundeswehr beispielsweise nur vier Soldaten – stechen vor allem die Missionen in Mali und Somalia hervor, die ohne großes öffentliches Interesse vom Bundestag bewilligt wurden. Im subsaharischen Mali sind deutsche Truppen seit Februar 2013 in der European Union Training Mission (EUTM) im Einsatz. 213 Soldaten wurden in Koulikoro und im als gefährlich geltenden Gao stationiert. Der Bundeswehr zufolge zielt das Engagement »darauf ab, den malischen Streitkräften entsprechende Hilfe zu leisten«. Das malische Militär solle »befähigt werden, die Stabilisierung des Landes in eigener Verantwortung wieder voranzubringen«. Im Zuge der Mission wurden bis Mai 2016 ungefähr 8 000 malische Soldaten ausgebildet.
Das Mandat der EUTM in Somalia ist nahezu identisch, wobei die Bundeswehr in Mogadischu nicht selbst die Soldaten ausbildet, sondern nur deren Ausbilder. So soll eine Armee geschaffen werden, die der Föderalregierung als Sicherheits- und Ordnungsinstrument dient. Nur neun Bundeswehrsoldaten haben zur militärischen Ausbildung einer vierstelligen Zahl von Somaliern beigetragen.
Auffällig an beiden Missionen ist, dass sie nicht im Rahmen eines Nato-Mandats stattfinden, wie dies noch in Afghanistan der Fall war, sondern dass es sich um Militäreinsätze der EU handelt. Daran zeigt sich, in welch geringem Maß die europäischen und amerikanischen Strategien und Interessen auf dem afrikanischen Kontinent übereinstimmen. Darüber hinaus verfolgen beide Missionen einen neuen Ansatz, wenn es um die Sicherung von Stabilität geht: Relativ kleine Kontingente europäischer Soldaten sollen eine möglichst hohe Anzahl an örtlichem Militärpersonal ausbilden, damit dieses selbst für Sicherheit im Land sorgen kann.
In dieser Strategie zur Effektivierung der malischen und somalischen Armee wandelt sich die Bundeswehr vom Sicherheitsanbieter, wie noch in Afghanistan, zum Sicherheitsberater. Bereits in einer Rede im Jahr 2011 forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Schwellenländer dazu auf, »mehr Verantwortung zu übernehmen«, da sich Europa bei weitem übernehmen würde, müsse es bei allen Konflikten weltweit eingreifen. Daher bestehe die deutsche Aufgabe auch darin, Regionalorganisationen wie die Afrikanische Union zu unterstützen oder eben schlagkräftige Armeeverbände in instabilen Staaten auszubilden, so Merkel.
Diese Ertüchtigungsstrategie geht dabei auf die »Enable and Enhance Initiative « (E2I) der EU zurück, nach der »Regionalorganisationen und einzelne Staaten durch Ausbildung und Beratung in die Lage versetzt werden sollen, eigenständig für Sicherheit und Stabilität zu sorgen«, schreibt der Schweizer Journalist Eric Gujer. E2I ist dabei zum bevorzugten Instrument in der deutschen Afrika-Politik geworden. Die Vorgaben der EU werden erstaunlich schnell im Einsatz der Bundeswehr an Ort und Stelle angewandt. Während eines Besuchs von Reportern der Bild-Zeitung in Mali im April 2016 beschrieb der Führer des 1. Einsatzkontingents, Oberstleutnant Marc Vogt, die Lage: »Unsere Präsenz hier sorgt wieder dafür, dass Stabilität herrscht, dass Regierung und lokale Sicherheitskräfte wieder einen Griff bekommen.«
Um den Aufbau stabiler staatlicher Strukturen in Mali und Somalia zu gewährleisten, wird das militärische Engagement in eine Gesamtstrategie eingebettet. Hiernach sollen Entwicklungshelfer, Ausbilder und politische Berater ihre Kräfte bündeln, um die Kontrolle der Regierungen über Territorium und Bevölkerung sicherzustellen und somit die Ursachen von Migration und Terrorismus auszuräumen.
Die Resultate des Afrika-Abenteuers der Bundeswehr sind jedoch zweifelhaft. Schon vor der Tuareg-Rebellion im Norden Malis 2012 war das Land ein bevorzugtes Ziel europäischer Entwicklungshilfe. Schon damals waren die Regierung und andere Institutionen geschickt darin, den Europäern Erfolge auf dem Papier vorzugaukeln, um den Strom militärischer und entwicklungspolitischer Hilfe nicht abreißen zu lassen. Darüber hinaus versuchen sich seit über 100 Jahren verschiedene militärische Expeditionen erfolglos daran, staatliche Kontrolle über den Norden Malis und über Somalia zu erlangen. Während sich die EU und Deutschland auf die nächste Trainingsmission in Libyen vorbereiten, regt sich Widerstand. Am 21. März griffen zwei Bewaffnete das Hauptquartier der EUTM in der malischen Hauptstadt Bamako an. Erst nach einem längeren Feuergefecht wurde der Angriff abgewehrt.