»Die Linke« nach dem Parteitag in 
Magdeburg

Falsch getortet

Zwischen Mob und Mitregieren: Die »Linke« nach dem Parteitag.
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Nehmen wir an, Sie gehen zu einem Punkkonzert. Sie betreten den Saal und sehen: Der ist bestuhlt. Sie gehen an die Bar, dort gibt es: Spätburgunder. Nun kommt endlich die Band, Sie warten auf »Kacke, Kacke, Bullenstaat«, doch der gepflegte Herr am Mikrophon singt ein Adorno-Zitat. Nun gut, Sie als Jungle-World-Leser könnten damit womöglich sogar etwas anfangen, aber geben Sie es zu, Sie gehören zu einer kleinen Minderheit, im Grunde ist es so: Die Musik mag noch so Punk sein, das ist trotzdem kein Punkkonzert.
Die Linkspartei hat ein ähnliches Problem, sie möchte gerne Protestpartei sein, aber Protest sieht heute einfach anders aus: Hass muss in den Augen blitzen, die Mistgabel geschultert sein. Die Wutbürger müsste man mobilisieren, wie die AfD es tut. Doch statt Galgen aufzubauen für die da oben, wie es der Mob fordert, möchte die Linkspartei »umverteilen« und »Waffenexporte stoppen«.
Da mag es inhaltlich noch so viele Gemeinsamkeiten geben mit der Putin hörigen, »Lügenpresse« schreienden und sich verraten fühlenden Meute, aber die Form, die stimmt einfach nicht. André Brie forderte, die Linkspartei müsse »das Greenpeace der Arbeiterklasse« werden, aber außer André Brie weiß es vermutlich jeder: Greenpeace ist Achtziger, Arbeiterklasse eh. Heute müssten es schon Tea Party oder Pegida sein. »Wir wirken etwas saft- und kraftlos«, so hatte Gregor Gysi vor dem Parteitag, der am Wochenende in Magdeburg stattfand, analysiert. Aber er hat nicht gefordert, saft- und kraftvollere Sprüche zu klopfen, vielmehr möge man sich »kompromiss- und demokratiefähig zeigen«. Er will gar nicht die Protestwähler, er will die anderen.
Und er hat ja recht. Natürlich gibt es nicht wenige Leute in der Linkspartei, die den Bluthund machen könnten, die man sowieso nur mit Mühe an der Leine hält. Aber die AfD-Konkurrenz ist zu authentisch, zu gewaltig. Selbst in Brandenburg zieht in Umfragen die AfD an der »Linken« vorbei. Sie liegt dort bereits bei 20 Prozent. Gysi ist schlau: Es besteht keine Chance, den Zweikampf mit denen zu gewinnen. Stattdessen sieht er die SPD zerbröseln, die CDU/CSU sich zerlegen, die Grünen abheben und weiß, dass dort zu graben, wo die Erde locker ist, viel ergiebiger wäre, als dort, wo die Pegida-Stiefel den Boden bearbeiten. Regieren wollen, sich staatstragend zeigen – da gäbe die Linkspartei derzeit kein schlechteres Bild ab als die sogenannten Volksparteien. Die Rolle der Sozialdemokraten ist zu vergeben, da muss man zugreifen. Und sicherlich ist das die freundlichere Alternative: Zwei Mob-Parteien wären nicht besser als eine. Selbst wenn die sich gegenseitig zerfleischen würden.
Jedoch: Damit überließe man den Orks endgültig das Schlachtfeld. Nur die Linkspartei könnte ihnen die Protestwähler wieder abspenstig machen; nicht die nur noch lächerliche SPD und nicht die gesinnungsschwäbelnden Grünen, und auch nicht die CDU oder die CSU, selbst wenn sie sich noch so sehr nach rechts reckten. Doch so schäbig ist die Linkspartei nicht. Jedenfalls nicht mehr als die anderen Parteien, die allesamt die Volksstimmung auf- und einzufangen versuchen. Nicht mal Sahra Wagenknecht wird offen die rassistische Karte spielen, auch wenn sie ihrem nationalsozialen Gesinnungsgerüst folgend am deutlichsten in diese Richtung bellt.
Doch ob das tortenwürdig ist? Die Beschlüsse des Parteitags weisen nicht im Geringsten darauf hin, dass sich die »Linke« in Sachen Flüchtlings- und Migrationspolitik auf die AfD zubewegt. Ihre außenpolitischen Beschlüsse hingegen, die direkt aus Jürgen Todenhöfers Gehirn gekrochen zu sein scheinen, hätten einen Tortenhagel verdient, der nicht nur Wagenknecht treffen müsste. Allein für die geradezu wahnwitzige Forderung, den Kampf gegen den »Islamischen Staat« zu beenden, sollte man die gesamte Partei in einer riesigen Torte versenken. Hier allerdings bleibt die linke Kritik an der »Linken« auffallend saft- und kraftlos.