Bergbaukonflikte und die Präsidentschaftswahlen in Peru

»Die Linke muss sich neu aufstellen«

Vanessa Schaeffer Manrique ist Juristin und arbeitet seit vier Jahren bei Cooperacción, einer peruanischen Entwicklungsorganisation, die den Bergbau und die Entwicklungsstrategie der Regierung seit 20 Jahren kritisch begleitet. Mit der 28jährigen sprach die »Jungle World« über die Bergbaupolitik der bisherigen Regierung und den Ausgang der Stichwahlen um die Präsidentschaft vom 5. Juni.

Peru hat gewählt und es hat den Anschein, dass Pedro Pablo Kuczynski am Ende Keiko Fujimori im zweiten Wahlgang besiegen könnte. Der 77jährige führt den Angaben der Wahlbehörde vom Sonntagabend zufolge mit 50,59 Prozent der Stimmen knapp vor Fujimori. Ist das eine gute Nachricht für Peru?
Ja, Pedro Pablo Kuczynski ist das kleinere Übel. Es sind die Stimmen der Wähler, die auf keinen Fall Keiko Fujimori im Präsidentenpalast sehen wollen, die den Ausschlag geben. Die Berichte über ihre Kontakte zur Drogenmafia hatten da sicherlich einen Effekt.
Warum kam es zur Stichwahl zwischen zwei Übeln, dem neoliberalen Kandidaten Kuczynski und der Tochter des ehemaligen Diktators Alberto Kenya Fujimori?
Nach dem ersten Wahlgang von Anfang April war ich wie viele andere auch enttäuscht, denn die Kandidatin des Frente Amplio (linkes Parteienbündnis, Anm. d. Red.), Verónika Mendoza, war nur sehr knapp gescheitert und die beiden übrigen Kandidaten sind eine Zumutung. Pedro Pablo Kuczynski ist keine Alternative, zumal sich gezeigt hat, wie schlecht das neoliberale Modell, das er verkörpert, für ein Land wie Peru ist. Aber natürlich haben wir in den vergangenen zwei Monaten genau analysiert, warum Pedro Pablo Kuczynski das geringere Übel ist. Keiko Fujimori steht für die Straflosigkeit, für das Ende der Institutionen in Peru und für omnipräsente Korruption. All das haben wir gerade erst mühevoll überwunden, und Keiko Fujimori macht keinen Hehl daraus, dass sie den Regierungsstil ihres Vaters fortzusetzen gedenkt.
Was spricht denn für Pedro Pablo Kuczynski?
Er steht nicht für Korruption. In seinem Team gibt es keine Indizien für Korruption. Bei Keiko Fujimori gelten viele Mitarbeiter als korrupt, gegen einige wurde bereits ermittelt oder sie wurden sogar verurteilt, etwa wegen Verbindungen zum Drogenhandel.
Warum ist es zu dieser Stichwahl zwischen zwei konservativen, wirtschaftsliberalen Kandidaten gekommen? Fehlt der Linken das Vertrauen der Wähler?
Definitiv, denn Teile der Linken sind sehr dogmatisch, wenig diskussionsbereit, und natürlich gibt es auch viele, die von der Bilanz der Präsidentschaft Ollanta Humalas enttäuscht sind, denn er galt schließlich als linker Kandidat. Mit dem Frente Amplio hätte sich das allerdings ändern können, denn Mendoza ist eine junge Frau, sie stammt aus Cusco und ist keine traditionelle Akademikerin der Linken. Sie lag zu Beginn ihres Wahlkampfs in der Wählergunst bei zwei Prozent der Stimmen und erhielt in der ersten Runde schließlich knapp 19 Prozent. Das ist respektabel, aber es war leider nicht genug und es ist ein Signal, dass sich die Linke neu aufstellen muss.
Hat die Linke denn die Chance, mit guter Oppositionsarbeit zu glänzen?
Sicherlich, und das Personal dafür ist auch da. So ist Marco Arana, ein ehemaliger Priester, der wegen der Bergbaukonflikte in die Politik ging, jemand, der reden kann und aufgrund seiner Auslandskontakte eine hohe Glaubwürdigkeit genießt. Unter den Abgeordneten sind auch Opfer der Gewalt unter Alberto Fujimori.
Peru ist ein Land mit einer relativ hohen Armutsquote, die indigene Bevölkerung wird stark diskriminiert – warum haben die Konservativen trotzdem so viele Stimmen?
Das ist schwierig zu beantworten. Ein Grund ist sicherlich, dass in Peru traditionell viele Versprechen gemacht, aber nur wenige gehalten werden. Das sorgt für wenig Wählerbindung und so wählen die Peruaner oft schlicht das kleinere Übel.
In Peru nehmen die Konflikte zwischen Landwirtschaft und Bergbau zu – es gibt immer mehr Konkurrenz ums Wasser. Gibt es Debatten über Lösungen, neue Konzepte?
In diesem Kontext spielen die Regionalregierungen eine große Rolle, sie müssen aktiv werden, so wie in Cajamarca. Da fehlt aber noch viel Arbeit, um wirklich Konzepte auf den Tisch zu legen, und es sind Experten gefragt. Ein positives Beispiel ist die Stadt Tambogrande, wo sich die Mehrheit der Bevölkerung für den Obstanbau entschieden hat und auch die nötigen Konzepte für die Wasserverteilung vorweisen konnte – für den Goldbergbau war da kein Platz. Grundsätzlich wird viel zu wenig für die kleinteilige Landwirtschaft getan, da fehlt es landesweit an Initiativen.
Welche Relevanz haben in diesem Kontext das Goldminenprojekt »La Conga« in der Region Cajamarca (Jungle World 50/2011) und der Widerstand dagegen für die Regierung von Ollanta Humala und für Peru?
Vor der Vorstellung des Projektes Conga hatte Ollanta Humala viel Unterstützung im Land. Das änderte sich mit dem Widerstand der Bevölkerung und der indifferenten Haltung der Regierung. Die Regierung geriet auch unter Druck von Seiten der Unternehmer – gerade weil Humala sich passiv verhielt, er hat weder die Bevölkerung noch die Mine unterstützt. Er hat versucht, das Thema auszusitzen. Dabei ist allerdings herausgekommen, dass die Umweltgutachten fragwürdig waren, dass es nicht nötig ist, alle Lagunen in der Umgebung zuzuschütten. Früher galten Umweltgutachten als unantastbar – das ist heute vorbei. Zudem wurde nachgewiesen, dass die Region Cajamarca vom Bergbau gar nicht oder nur wenig profitiert hat. Die Armutsquote ist den Statistiken zufolge nicht gesunken. Obwohl viel Gold gefördert wurde und der Bergbau viel Geld umsetzte, zählt die Region zu den vier ärmsten Distrikten Perus. Das hat dazu geführt, dass die bergbaukritische Fraktion in der Politik, aber auch bei Nichtregierungsorganisationen Aufwind bekam. Das auf den Bergbau fixierte Wachstumsmodell wurde in Frage gestellt. Was aber nach wie vor fehlt, sind die staatlichen Kontrollinstitutionen für den Bergbau.
Eine Stärkung des Umweltministeriums und den Aufbau von Institutionen zur Beobachtung von Wasser-, Luft- und Bodenbelastung und für den Umgang mit Quecksilber und Zyaniden hat es also nicht gegeben? War das nicht ein Ziel von Präsident Humala?
Ja und nein, denn es wurde zwar das Senace gegründet, eine Zertifizierungsorganisation für nachhaltige Investitionen und somit auch für Bergbauprojekte, die Umweltgutachten überprüft und Unternehmen kontrolliert. Diese Institution ist nicht dem Energie- und Bergbauministerium unterstellt, aber sie besteht noch nicht lange genug, um ihre Arbeit beurteilen zu können.
Im Falle eines Wahlsiegs von Keiko Fujimori würde diese Institution nicht mehr lange existieren, der Etat würde reduziert werden. Wir haben die Arbeitsweise des ehemaligen Präsidenten Alberto Kenya Fujimori und die seiner Tochter analysiert: Institutionen, die nicht in das politische Kalkül von Keiko Fujimori passen, verschwinden. Das hat ihr Vater schon so gehalten und wir gehen davon aus, dass es bei ihr nicht anders laufen würde. Dazu passt, dass sich Keiko Fujimori zum Arbeitsstil ihres Vaters bekannt hat und sich auch nicht von der Korruption, die es unter ihm gab, distanziert hat. Wir gehen davon aus, dass es unter ihr zu mehr und gravierenderen Bergbaukonflikten kommen würde.
Die Liste der Bergbaukonflikte ist mit Minenprojekten wie La Conga, Tía María, Antapaccay oder Las Bambas sehr lang. Erzeugt der Widerstand gegen diese Projekte nicht ausreichend Druck, um das Modell zu modifizieren?
Der Druck ist zweifelsfrei gestiegen und die regionale Verteilung der Wählerstimmen beim ersten Wahlgang spricht Bände. In den Distrikten, in denen es Bergbaukonflikte gab oder gibt, hat fast überall der Frente Amplio mit seiner Kandidatin Verónika Mendoza gewonnen. Das ist ein deutliches Signal aus Bergbauregionen wie Apurímac und Cusco – das Modell lässt sich nicht einfach so weiterführen. Allerdings zeigt die Verteilung der Wählerstimmen, dass in den Städten anders gedacht wird. Aus der Perspektive vieler Städter ist der Bergbau weit weg. Letztlich polarisiert der Bergbau landesweit stark.
Vor ein paar Wochen wurde einer der wichtigsten Umweltpreise der Welt, der Goldman Environmental ­Prize, an Máxima Acuña verliehen, eine peruanische Bäuerin, die sich über Jahre geweigert hat, ihr Land zu verlassen, um dem Ausbau der Goldmine Yanacocha Platz zu machen. Welche Relevanz hat dieser Preis?
Für die Minenbetreiber ist das eine Ohrfeige. Ihre menschenverachtende Expansionspraxis wird durch die Preisvergabe international publik. Für soziale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen ist der Preis eine Anerkennung ihrer Arbeit und moralische Unterstützung. Zudem schafft der Preis internationale Aufmerksamkeit für die laufenden Prozesse um Máxima Acuñas Landtitel. Mit dem Preis ist die Botschaft verbunden: Ihr steht unter Beobachtung.
Sie waren jüngst bei der Aktionärsversammlung des Bergbaukonzerns Glencore in der Schweiz. Haben Sie die Hoffnung, dass sich Bergbauunternehmen angesichts niedriger Rohstoffpreise aus Peru zurückziehen könnten?
Nein, nach der Versammlung nicht mehr. Der Vorstandsvorsitzende von Glencore hat klar gesagt, dass jetzt keine neuen Minen aufgemacht werden. Sie lassen den Ausbau ruhen, aber sie lassen die Mineralien nur etwas länger im Boden – sie warten, bis die Preise steigen.