Die Luxleaks-Whistleblower wurden verurteilt

Vorrangige Interessen

Nach dem Urteil im sogenannten Luxleaks-Prozess wurde die strafrechtliche Verfolgung von Whistleblowern kritisiert. Konsequenter Schutz für diese hieße aber, elementare Prinzipien bürgerlichen Rechts außer Kraft zu setzen.

Nun ist es also passiert. Die beiden Whistleblower Antoine Deltour und Raphaël Halet sind am Mittwoch vergangener Woche in Luxemburg wegen Diebstahls und Verrats von Geschäftsgeheimnissen zu zwölf beziehungsweise neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Die ehemaligen Mitarbeiter der Beraterfirma Pricewaterhouse Coopers hatten vertrauliche Dokumente, die ein komplexes System der Steuervermeidung offenlegten, an den französischen Journalisten Edouard Perrin weitergegeben. Dieser hatte 2012 als erster über die Praktiken berichtet, zwei Jahre vor den eigentlichen Enthüllungen der sogenannten Luxleaks durch das International Consortium of Investigative Journalists. Perrin, ebenfalls angeklagt, wurde freigesprochen.
Es ist ein Kompromiss der luxemburgischen Art. Die Verurteilung eines Journalisten hätte wohl in Zeiten der zur Schau getragenen Verteidigung der Pressefreiheit europaweit für großen Unmut gesorgt. Zu harte Strafen für Halet und den vom Europaparlament 2015 mit dem europäischen Bürgerpreis geehrten Deltour ebenfalls. Ein Freispruch für die beiden hingegen hätte für das auf einem ­attraktiven Finanzplatz beruhende »Modell Luxemburg« ein fatales Signal bedeutet.
Also läuft es auf irgendetwas dazwischen hinaus. Deltour und Halet haben trotzdem angekündigt, in Berufung zu gehen. Für Deltours Anwalt William Bourdon offenbart der Richterspruch das »konservative Gesicht Europas«, eines Europas, für das private Interessen wichtiger als das Allgemeininteresse seien. Dabei hat das Gericht in seiner Urteilsbegründung genau dies den Angeklagten zugutegehalten: im Allgemeininteresse gehandelt zu haben. Sogar die Bezeichnung Whistleblower haben ihnen die Richter zugestanden. Doch weder luxemburgisches noch europäisches Recht haben das Vorgehen der beiden gedeckt. Und auch eine EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen – über die Einführung einer solchen wird derzeit debattiert – hätte Deltour und Halet der Urteilsbegründung zufolge nicht geschützt.
Mit dieser Urteilsbegründung sendet das Gericht ein deutliches Signal. Ja, Deltour und Halet haben im Allgemeininteresse gehandelt, ja, sie sind als Whistleblower zu betrachten, doch nein, sie sind als solche nicht geschützt und nein, es gibt auch nicht den politische Willen dazu. Schon gar nicht, wenn es sich bei den aufgedeckten Missständen zwar um vielfach als illegitim empfundene, jedoch bis auf weiteres legale Vorgänge handelt. Denn genau darum geht es bei den Luxleaks-Enthüllungen, um ein nach luxemburgischem wie nach europäischem Recht legales, wenn auch obskures System der »Steueroptimierung«, also Steuervermeidung, für Großkonzerne.
Dass Whistleblower, die Daten entwenden, um legale, aber als moralisch verwerflich eingestufte Praktiken in privaten Unternehmen oder Verwaltungen aufzudecken, demnächst durch das Gesetz geschützt würden, scheint schwer vorstellbar. Das würde nämlich bedeuten, dass der Gesetzgeber ein rein an moralischen Maßstäben ausgerichtetes Allgemeininteresse höher einstuft als das fest im bürgerlichen Recht verankerte Privateigentum. Er würde somit eben dieses bürgerliche Recht aus den Angeln heben.
Die Diskussion über Schutz für Whistleblower ist daher nichts weiter als eine Scheindebatte. Dass private Interessen wichtiger als das Allgemeininteresse sind, gehört gewissermaßen zum Fundament Europas.