Family first

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Familien sind ja sehr niedlich. Ich habe selbst eine beherbergt, gerade sind die Kleinen aus dem Haus. Selbstlos bot ich Unterkunft, passte auf, dass der Fuchs sie nicht holte, und war stolz wie ein Papa, als die kleinen Hausrotschwänzchen aus ihrem Nest plumpsten und bald darauf davonflatterten, hinein ins wilde Berlin.
Dort herrscht ja gerade Wahlkampf. Dabei geht es der Berliner CDU darum, die Wahlen keinesfalls zu gewinnen. Sie eskaliert deshalb einen völlig überflüssigen Streit mit Hausbesetzern und hat jetzt auch noch Rentnern, Singles und kinderlosen Paaren den Krieg erklärt. Geht es nach dem Willen der Christenunion, sollen künftig die genannten Bevölkerungsgruppen in Ämtern länger in der Warteschlange stehen, während junge Eltern zügig an einem Extraschalter an ihnen vorbeiziehen. Die CDU will »Überholspuren für Familien«. Die traditionelle Zielgruppe der Partei – 60 plus – dürfte wenig begeistert sein, denn Opa und Oma sind mit »Familie« nicht gemeint, nur der fruchtbare Teil. Das Wahlprogramm sieht auch staatliche Darlehen für Familien vor, damit diese Wohnungen kaufen können. Denn klar, wozu brauchen Kinderlose schon Wohnungen? Auch soll es weitere Vergünstigungen für Familien in öffentlichen Einrichtungen geben. Kurz gesagt: Wer keine Kinder hat oder wessen Kinder schon aus dem Haus sind, soll sich zum Teufel scheren.
Bei Karstadt wird in diesem Jahr im Rahmen der Kampagne »Mama ist die Beste« von jedem Einkauf ein Cent an »Mütter« gespendet. Sie sind Mutter und haben noch nichts davon abbekommen? Grämen Sie sich nicht, die Väter bekommen auch nichts und müssen zudem mit der Belehrung leben, dass Papa offenbar nur der Zweitbeste ist. Sie und Kinderlose spenden nun ständig bei Karstadt ungefragt für Deutschlands Muttertum. »Unser Land sollte all unseren Müttern dankbar sein«, meint Karstadt-Sprecher Thomas Wanke. Demnächst gibt es vermutlich statt Rabattmarken Mutterkreuze an der Kasse.
Auch auf Bundesebene zanken sich CDU und SPD, wer Familien besser hofiert. »Betreuungsgeld« rufen die einen, »Familiengeld« antworten nun die anderen. Familie hier, Familie da. Wer sich ein Kind zulegt, wird gezuckert und gepudert, wer sich ein Motorboot zulegt, bekommt gar nichts. So sieht es doch aus! Beides ist kein Schicksal, sondern eine persönliche Entscheidung, zu der niemand gezwungen wird. Warum sollte ich mit Steuergeldern Nachbars Motorboot finanzieren? Eben.
Wie gesagt: Die Hausrotschwanzfamilie verdient jede Unterstützung und auch menschliche Mütter, Väter und Kinder sollen nicht darben. Aber: Wenn ein Hausrotschwanz sich entscheiden sollte, bei mir ein Nest zu bauen und keine Eier zu legen, sondern nur so vor sich hinzuträllern, ich würde ihm ebenso beistehen. Kann das der Staat hinsichtlich seiner Kinderlosen auch von sich behaupten?