Die NPD wird immer unbedeutender

Völkisch geht auch ohne sie

Die NPD befindet sich am Tiefpunkt ihrer jüngeren Geschichte. Und es könnte noch weiter bergab gehen.

Für die NPD hätte es eigentlich kaum besser laufen können. Wo Hitler einst seine Raketen bauen ließ, im Norden der Ostseeinsel Usedom, erreichte am ersten Septemberwochenende die Zustimmung für völkische Parolen lange nicht gekannte Ausmaße. In Peenemünde kamen Rechtsextreme in den jüngsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt auf mehr als 50 Prozent der Stimmen. An anderen Orten auf der Insel sah es ähnlich aus. Dennoch war die Freude über solche Ergebnisse bei der NPD nicht allzu groß. Denn sprechen Beobachter in Mecklenburg-Vorpommern von Rechtsextremen, meinen sie mittlerweile vor allem die AfD. Von den 52,4 Prozent an Wählerstimmen für Parteien rechts der CDU in Pee­nemünde erhielt die NPD gerade einmal 5,6, die anderen gingen an jene Partei, die erst vor dreieinhalb Jahren gegründet wurde.

Wäre die NPD auch im restlichen Teil Mecklenburg-Vorpommerns auf einen ähnlich hohen Stimmenanteil gekommen, so hätte sie sich zumindest über den Wiedereinzug in den Landtag freuen können. Doch daraus wurde nichts. Nach 7,3 Prozent im Jahr 2006 und 6,0 Prozent 2011 reichte es diesmal lediglich für 3,0 Prozent. Die NPD muss nach zehn Jahren im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern somit das letzte deutsche Landesparlament verlassen, in dem sie noch vertreten war. Sie ist am vor­­­läufigen Tiefpunkt ihrer jüngeren Geschichte angekommen.

Zu ihren Glanzzeiten kurz nach der Gründung im Jahr 1964 war die rechtsextreme Partei in sieben Landtagen gleichzeitig vertreten. Bei der Wahl in Baden-Württemberg im Jahr 1968 erreichte sie fast zehn Prozent. Ein Jahr später scheiterte die NPD 4,3 Prozent nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Doch von da an ging es bergab. In keinem Bundesland konnte sich die NPD im Parlament halten. Stattdessen standen bald Wahlergebnisse mit weniger als einem Prozent Stimmenanteil auf der Tagesordnung – sofern die Partei überhaupt noch antrat.

Programmatisch und strategisch schwankte sie immer wieder zwischen unverhohlen nationalsozialistischen Versatzstücken und dem angeblich »seriösen Radikalismus« Holger Apfels, der von 2011 bis 2013 Bundesvorsitzender war. In der Praxis jedoch waren die Unterschiede kaum zu erkennen. Auch Apfel, viele Jahre Vorsitzender der sächsischen Landtagsfraktion, fiel im Parlament immer wieder unangenehm auf: 2005 boykottierte er eine Schweigeminute für die Opfer der NS-Herrschaft, 2010 kassierte er wegen antisemitischer Hetze einen Verweis für zehn Plenarsitzungen.

Im Herbst 2014 verfehlte die NPD den erneuten Einzug in den sächsischen Landtag. Die Parteiführung suchte die Schuld bei den eigenen Anhängern, die aus Bequemlichkeit nicht wählen gegangen oder auf die »Scheinalternative AfD« hereingefallen seien. In anderen Bundesländern ging die NPD anschließend freundlicher mit der AfD um. Immer wieder erklärten einzelne Politiker öffentlich, dass in den Parlamenten eine Zusammenarbeit mit AfD-Abgeordneten möglich sei. Vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im März warb die NPD dafür, ihr die Zweitstimme und die Erststimme der AfD zu geben. Anders als in Sachsen gratulierte der NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs der AfD nach der NPD-Wahlniederlage in Mecklenburg-Vorpommern mit der Ankündigung, sie nun sehr genau zu beobachten. Viele Wähler waren da schon einen Schritt weiter: Sie hatten der Partei ihre Stimme gegeben, deren Schmuddelfaktor nicht so hoch ist wie jener der NPD.

Die derzeitige Situation ist für die NPD existentiell bedrohlich – nicht nur wegen der AfD. Schließlich droht auch noch ein Parteiverbot, über das das Bundesverfassungsgericht in den kommenden Monaten zu entscheiden hat. Doch gerade die Tatsache, dass es derzeit nicht gut um die NPD steht, könnte den Ausschlag zu ihren Gunsten geben: Die Richter könnten ernsthafte Zweifel daran formulieren, dass von der Partei derzeit eine reale Gefahr für die Bundesrepublik ausgeht.

Auch wenn die Partei nicht verboten werden sollte, steckt sie zumindest in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Besonders die fehlenden Gelder angesichts des Verlusts ihres Fraktionsstatus dürften der NPD zu schaffen machen, zumal sie nur über ein geringes Vermögen verfügt. Da sie in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Landtag ausgeschieden ist, wird sie ab sofort jährlich mit 1,4 Millionen Euro weniger auskommen müssen. Die gleiche Summe ging schon verloren, als die NPD 2014 den sächsischen Landtag verlassen musste. Mehrere Dutzend Mit­arbeiter der Fraktion konnten bis dahin mit den Geldern bezahlt werden.

Dass kommende Wahlen anders verlaufen könnten, zeichnet sich derzeit nicht ab. Zwar liegt die NPD aktuellen Umfragen zufolge in Sachsen wieder über der Fünf-Prozent-Marke. Gewählt wird dort allerdings erst in drei Jahren. Sowohl im bürgerlichen als auch im rechtsextremen Milieu hat sich in den vergangenen Jahren Konkurrenz ent­wickelt: Auf der einen Seite wechseln Wähler zur AfD, auf der anderen Seite sorgen »Die Rechte« und »Der III. Weg« mit unmissverständlichen Nachrichten für mehr Aufsehen unter gewaltbereiten Nazis – so etwa im vergangenen Oktober, als Mitglieder von »Die Rechte« bei einer Razzia festgenommen wurden. Sie sollen Medienberichten zufolge Sprengstoffanschläge geplant haben.

Und gerade angesichts der Parteikrise ist es nicht auszuschließen, dass interne Streitigkeiten das tatsächliche Ende der NPD herbeiführen. In Sachsen beispielsweise setzte die Führung des Landesverbands Anfang des Jahres den Leipziger Kreisvorsitzenden Enrico Böhm ab, der zudem Mitglied im Leipziger Stadtrat ist. Böhm hatte zuvor ­öffentlich den Landesvorsitzenden Jens Baur kritisiert und dessen Wahl als ungültig bezeichnet. Nach eigener Darstellung trat Böhm daraufhin aus der NPD aus – und mit ihm offenbar die Mehrheit des Leipziger Kreisverbands. Er und seine Mitstreiter betätigen sich seitdem als »Bürgerbündnis«.

In anderen Regionen Deutschlands sieht die Situation etwa besser aus. Noch immer verfügt die NPD über etwa 300 Mandate in kommunalen Parlamenten. In einigen Gegenden ist sie auch außerhalb von Stadt- und Kreis­räten gut organisiert und verfügt über Immobilien und wichtige Positionen in Vereinen und Firmen. Zumindest mancherorts bleibt die NPD somit weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr. Um Politik in größerem Maßstab werden sich in Zukunft jedoch andere kümmern. Wenn Funktionäre der AfD von der »Volksgemeinschaft« reden und die Bundesvorsitzende neuerdings das Positive am Begriff »völkisch« hervorheben möchte, dann bestehen wenig Zweifel, dass der Naziideologie die Rückkehr in die deutschen Parlamente ­gelungen ist – ganz ohne die NPD.