Wie geht es in Italien nach dem Referendum weiter?

Erfolg von rechts bis links

Die von der italienischen Regierung geplante Verfassungs­reform wurde im Referendum vom Sonntag abgelehnt. Dennoch dürfte der Partito Democratico auch in einer Über­gangsregierung eine wichtige Rolle spielen. Ob sich aus der linksliberalen »Nein-Kampagne« ein neues Bündnis entwickelt, ist noch nicht abzusehen.

Dieses Mal lagen die Meinungsumfragen richtig und dennoch war das Ergebnis des italienischen Verfassungsreferendums in seiner Deutlichkeit überraschend: Bei einer Wahlbeteiligung von 65,5 Prozent stimmte eine deutliche Mehrheit von knapp 60 Prozent am Sonntag gegen die von Matteo Renzis Regierung vorgelegten Reformvorschläge. Der Ministerpräsident kündigte noch in der Nacht zum Montag seinen Rücktritt an, ließ aber durchblicken, dass er nicht beabsichtige, seine politische Karriere zu beenden. Schließlich erhielt er 40 Prozent Zustimmung für seine Reformpolitik.
Welche politischen Kreise das Abstimmungsergebnis als Erfolg für sich beanspruchen dürfen, ist dagegen weniger eindeutig. Sowohl die Rechtspopulisten um Matteo Salvinis Lega Nord als auch Beppe Grillos Movimento 5 Stelle (M5S) traten in der Wahlnacht als Sieger auf und forderten umgehend Neuwahlen. Doch ein Teil der Nein-Stimmen stammt auch von der innerparteilichen Opposition gegen Renzi und aus dem linksliberalen Milieu der Zivilgesellschaft, das sich vor allem eine Neuausrichtung der politischen Linken erhofft.
Da Staatspräsident Sergio Mattarella Renzis Rücktrittsgesuch erst nach Verabschiebung des Haushaltsgesetzes annehmen will, gilt als sicher, dass er auch der Forderung nach Neuwahlen erst nachkommen wird, wenn für beide Kammern praktikable Wahlgesetze vorliegen. Das neue Parlamentswahlrecht, das der stärksten Partei eine absolute Stimmenmehrheit in der Abgeordnetenkammer garantiert, wird derzeit noch auf seine Verfassungskonformität geprüft. Für die zweite Kammer, den Senat, der nach der Ablehnung der Verfassungsreform im Gesetzgebungsverfahren gleichberechtigt bleibt, gilt dagegen ein porportionales Wahlrecht, das die Parteien zur Koalitionsbildung zwingt. Ungeachtet des triumphalen Auftritts Salvinis würde es unter diesen Bedingungen für keine rechte Koalition zur Regierungsmehrheit reichen. Der M5S würde möglicherweise im Parlament die absolute Mehrheit erringen können, bliebe aber im Senat ohne Mehrheit, solange er sich weiterhin jeder Koalition verweigerte.
Um eine Pattsituation zu verhindern, wird es in den nächsten Tagen wohl darum gehen, eine Übergangsregierung zu bilden, deren vornehmliche Aufgabe es wäre, ein Wahlgesetz auszuhandeln, das in beiden Kammern stabile Mehrheitsverhältnisse garantieren kann. Spekuliert wird, dass Finanzminister Pier Carlo Padoan oder Senatspräsident Pietro Grasso eine solche zweckgerichtete Regierung führen könnte. Sicher ist, dass jedes neue Kabinett der Zustimmung des Partito Democratico (PD) bedarf, der im Abgeordnetenhaus die stärkste Fraktion stellt. Eine wichtige Frage ist deshalb, wie sich die Machtverhältnisse im PD entwickeln, also ob Matteo Renzi Generalsekretär bleibt und mit seinen Vertrauten die Übergangsphase prägt, oder ob die linke Minderheit in der Partei wieder an Einfluss gewinnt und sich aus der linksliberalen »Nein-Kampagne« ein neues Mitte-links-Bündnis entwickelt.