Der Wahlausgang in Mazedonien

Ein Sieger zu viel

In Mazedonien erklären sich gleich zwei Spitzenkandidaten zu Wahlsiegern, die Protestbewegung kündigt weitere Demonstrationen an. Die politische Krise hält unver­mindert an.

Mazedonien ist tief gespalten, zwischen Sozialdemokraten und Nationalkonservativen sowie zwischen Mazedoniern und Albanern. Die Hoffnungen auf ein Ende der politischen Krise durch die Parlamentswahlen am Sonntag wurden enttäuscht. Die Sozialdemokraten der SDSM haben einen klaren Wahlsieg in der Hauptstadt Skopje erzielt, während die nationalkonservative VMRO-DPMNE vor allem in ländlichen Gebieten die Oberhand behielt. Die Nationalkonservativen liegen mit 38,1 Prozent der Stimmen knapp vor den Sozialdemokraten, die 36,7 Prozent erhielten. In Parlamentssitzen ausgedrückt führt dieses Ergebnis entweder zu einem Patt oder zwei Sitzen Vorsprung für die VMRO-DPMNE. Die neugegründete linke Partei Levica erreichte nur ein Prozent der Stimmen.
Noch am Sonntagabend reklamierten beide großen Parteien den Wahlsieg für sich. Der ehemalige Ministerpräsident und Parteivorsitzende der VMRO-DPMNE, Nikola Gruevski, sagte selbstbewusst: »Die VMRO ist der Sieger dieser Wahl.« Der Oppositionsführer Zoran Zaev konstatierte vor seinen jubelnden Anhängern: »Wir haben das Regime mit der Feder besiegt. Das Leben hat gewonnen.« Zuvor hatte er von einer Wahl zwischen »Leben und Regime« ­gesprochen. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 68 Prozent einen Rekordwert.
Die politische Krise dauert seit Februar 2015 an, als Zaev Audiomitschnitte veröffentlichte, aus denen hervorgeht, dass die Regierung etwa 20 000 Bürger illegal abhören ließ. Die Erkenntnisse weisen zudem auf weitverbreitete Korruption und illegalen Machenschaften der Regierungspartei hin. Gruevski wies die Vorwürfe zurück und sagte, es handele sich um Propaganda »fremder Mächte«. Dabei bedienten er und seine Partei sich auch antisemitischer Verschwörungstheorien und behaupteten, die Opposition und die Demonstrierenden seien von der Open Society Foundation des ­jüdischen Finanzinvestors George Soros bezahlt worden, der das Land destabilisieren wolle. Allerdings saß mit dem ehemaligen Präsidenten Gjorge Ivanov einst ein VMRO-Mitglied im Vorstand der Stiftung, von der auch einige Minister der Partei Förderungen erhielten. Die Skandale führten wiederholt zu Massenprotesten gegen die Regierung. Einige Protestierende reagierten mit Ironie auf die Vorwürfe und trugen T-Shirts mit der Aufschrift »Soros-Armee«. Während der »bunten Revolution« verschönerten Regierungsgegner die Protzbauten in Skopje mit Farbbeuteln.
Die mazedonische Bürgerinitiative Most war mit ungefähr 3 000 Wahlbeobachtern im Einsatz und veröffentlichte eine lange Liste von Unregelmäßigkeiten. In vielen Fällen wurden die Wahlzettel von den Wählern fotografiert. Dies ist verboten, weil Parteien diese Fotos als Beweise für Stimmenkauf verlangen. Vor den Wahl­lokalen kam es Most zufolge zu Stimmenkäufen. Auf Facebook und Twitter drohten einige Regierungsgegner bereits, wieder auf die Straße zu gehen, sollten die Nationalkonservativen unter Gruevski weitermachen wie bisher.
Durch das politische Patt zwischen den großen Parteien könnte die DUI über die Regierungsbildung entscheiden, eine Partei der albanischen Minterheit, die als ebenso korrupt wie Gruevski und seine Mannschaft gilt. Die DUI koalierte lange Zeit mit der VMRO-DPMNE, diese hat es sich aber mit ihrer nationalistischen und antialbanischen Rhetorik mit vielen Albanern verscherzt, die etwa ein Viertel der Bevölkerung stellen. Die politische Krise hält also an.