Die Aussicht auf einen Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel

Der kann Wahlverlierer

Was kann man sich von einem Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel versprechen? »150 Prozent Sozialdemokratie« – eine schlimmere Drohung gibt es kaum.
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Der Kanzlerkandidat der SPD wird bekanntlich durch Streichholzziehen bestimmt: Wer das kürzeste erwischt, muss es machen. Es wäre doch ein wenig peinlich, gar keinen Kandidaten aufzustellen. Zwar war dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig im Sommerinterview 2015 ein derartiger Vorschlag herausgerutscht, aber dieser kurze Anflug von Realismus ist längst vergessen; Albig unterstützt inzwischen eine Kandidatur des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel.
Offiziell will die SPD erst Ende Januar bekanntgeben, wer sich nach September 2017 den Punkt »Wahlverlierer« in den Lebenslauf schreiben darf. Es zeichnet sich allerdings ab, dass Gabriel nicht um die undankbare Aufgabe herumkommen dürfte. Zeitweilig hatte der angekündigte Wechsel von Martin Schulz in die Bundespolitik für Spekulationen gesorgt, aber der bisherige EU-Parlamentspräsident wird es kaum als vielversprechenden Karriere­schritt ansehen, diesen Posten gegen eine befristete Stelle als politisches Kanonenfutter einzutauschen; er wird stattdessen voraussichtlich den angehenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Amt des Außenministers beerben. Worüber man insbesondere in Israel begeistert sein dürfte, wo man Schulz noch von seiner Skandalrede vor der Knesset kennt.
Vor der Bekanntgabe des Kanzlerkandidaten hält die Partei ihre Fraktionsklausur, die ganz im Zeichen der Inhalte stand – oder was Sozialdemokraten halt so nennen. Nach dem Anschlag in Berlin war die innere Sicherheit ein Thema. Eine Kostprobe des angekündigten harten Wahlkampfs liefert hierzu der Beschluss: »Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt ausdrücklich die Maßnahmen, auf die sich Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundesinnenminister Thomas de Maizière am 10. Januar 2017 geeinigt haben.« Vor allem aber wolle man sich auf die »soziale Gerechtigkeit« konzentrieren, so die Ansage. Dazu heißt es etwa: »Ein nach Einkommen und Kinderzahl gestaffeltes Kindergeld soll die finanzielle Ausstattung gerade von ärmeren Familien deutlich verbessern« – sofern diese nicht von Hartz IV leben müssen, versteht sich, worauf das Kindergeld bekanntlich angerechnet wird. Außerdem wolle man »die steuerliche Absetzbarkeit von variablen Vorstands- und Managergehaltsbestandteilen auf maximal 500 000 Euro pro Jahr begrenzen«, und »der Zeitraum für eine zulässige Mieterhöhung soll von drei auf vier Jahre gestreckt werden«. Kürzer gesagt: 150 Jahre SPD tun dem Kapital nicht weh.
Irgendein noch so windelweiches Statement gegen Rassismus und rechte Hetze sucht man in den Beschlüssen übrigens vergeblich, schließlich will die SPD in einem Wahlkampf nicht hintanstehen, der zum schmutzigsten in der Geschichte der Bundesrepublik werden könnte. Da passt es, einen Sigmar Gabriel ins Rennen zu schicken, der auf »Überfremdungsängste eingehen« und deutsche Kapitalismusverlierer damit trösten will, dass man nichtdeutschen Kapitalismusverlierern noch weniger gönnt. Oder, wie der Kandidatenkandidat selbst es nennt: »150 Prozent Sozialdemokratie«.