In Köln wurden Frauen in der Silvesternacht nicht geschützt. Im Gegenteil

Nicht in meinem Namen!

Das diskriminierende Verhalten der Kölner Polizei in der Silvesternacht trägt nicht dazu bei, Frauen vor sexueller und sexualisierter Gewalt zu schützen. Es verschärft das Problem sogar noch.

Als immer wieder von sexueller und sexualisierter Gewalt Betroffene schockiert mich, was die Stadt Köln und die Polizei in der Silvesternacht angerichtet haben – insbesondere, weil der Einsatz vor allem im vorgeblichen Schutz von Frauen seine Begründung findet. Dass die Sicherheit von Mädchen und Frauen dabei zugunsten der Strafbedürfnisse der Öffentlichkeit völlig missachtet werden würde, war allerdings bereits vor ­einem Jahr abzusehen. Neu ist, dass sich die Polizei als willfährige Vollstreckerin des Volkswillens in Form eines politischen Akteurs an die Spitze dieser ­Bewegung gesetzt hat. Durch die im Kölner Hauptbahnhof vorgenommene faktische Rassentrennung sind Mädchen und Frauen zwischen zwei männlich geprägten Interessen zerrieben worden: einerseits dem Wunsch, Schlampen für ihre Macht über Männer zu strafen, andererseits dem Wunsch, die aus allen Poren atmenden sexuellen Missstände der Mehrheitsgesellschaft projektiv an einer ethnisch definierten Minderheit von Männern zu bekämpfen. 
Geschützt werden sollten, nach dem offiziellen Schutzkonzept mit Einlasskontrollen, vornehmlich der Dom und das Image der Stadt, das war bereits schlimm genug. Die Informationskampagne, die als Teil dieses Konzepts von Oberbürgermeisterin Henriette Reker vorgestellt wurde, zielte darauf ab, Mädchen und Frauen vor möglichen Übergriffen auf die Gefahren des ­Feierns aufmerksam zu machen (»Verhaltenstipps Sicherheit für Frauen«, ­Infoblatt »Mach Party – Safe!«) und ihnen nach einem Übergriff die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. Keine der Maßnahmen aber richtete sich an die Täter oder die Tätergruppe: die Männer. Es gab nicht einmal eine Ansage in Richtung der »nordafrikanischer Intensivtäter«, deren Daten man ja seit 2012 in der »Nafri«-Kartei sammelt. Hier verschaffte sich der klassische Reflex Geltung, der sich auch in der Formel »eine Armlänge Abstand« ausgedrückt hatte, und unterband eine sinnvolle Gewaltprävention von vornherein. Nicht Männer sollen Verant­wortung für ihre Sexualität übernehmen, sondern Mädchen und Frauen. Männer sollen, wenn überhaupt, immer nur im Nachhinein – mit plötzlichem Entsetzen – bestraft und dämonisiert werden. So muss sich niemand dem Gedanken aussetzen, irgendwie in die herrschenden Gewalt verwickelt zu sein.
Es hätte die legitime Möglichkeit ­gegeben, den Gefährdern Meldeauflagen zukommen zu lassen. Dass die Polizei nach Haut- und Haarfarbe getrennte Ausgangstüren am Kölner Hauptbahnhof bevorzugte, um dann über 1 000 Männer in einen von Beamten in Kampfmontur umgebenen Kessel zu verfrachten, und sie dann noch auf Twitter als »Nafris« samt Fototrophäe zu entmenschlichen, spricht jedoch ­dafür, dass bei der Kölner Polizei der Wunsch überwog, ein politisches Exempel zu statuieren. Es brauchte dabei kein sonderlich feinfühliges Gespür, um zu wissen, dass der Großteil der Ge­sellschaft ihr diese illegale Maßnahme, übrigens am im Rat diskutierten Schutzkonzept vorbei, sofort durchgehen ­lassen würde. Der Mob, der sich nach der Silvesternacht über jede noch so ­leise Verteidigung von Rechtsstaat und Diskriminierungsverbot hermachte, bestätigte das.
Das Verhalten der Polizei in Köln trägt nicht nur nicht dazu bei, Frauen sinnvoll, und das heißt langfristig, vor sexueller und sexualisierter Gewalt zu schützen. Es verschärft das Problem sogar noch, indem hier eine Stelle größter Autorität die Grenze des Sag- und Machbaren deutlich verschoben hat.
Die Entstehungsbedingungen sexueller Gewalt von Männern gegen Frauen sind von zwei wesentlichen Dingen geprägt: Projektivität und Opfermentalität. Wessen Identität wesentlich davon geprägt ist, dass er sich als Opfer äußerer Umstände begreift; wer, statt sorgsam die eigene Verwicklung in Geschlechterverhältnisse zu begreifen, ihre Ambivalenz im dazu stigmatisierten »Nafri« bekämpft, der entspricht dem psychologischen Profil desjenigen, der dazu neigt, Frauen sexuell anzugreifen. Das macht die Behauptung, die Maßnahmen hätten dem Schutz von Frauen gedient, ziemlich klebrig. Im ­Gegenteil: Die Maßnahmen am Kölner Bahnhof sind als erneute Instrumen­talisierung bereits instrumentalisierter Frauen zu begreifen.

Kein Kessel der Welt wird jemanden nachdenklich über seine Sehnsüchte nach Unterwerfung des Frauenkörpers stimmen. 

Worin sich die Täter der Silvesternacht im vergangenen Jahr und die Fans der Rassenpolizei mal expliziter, mal impliziter einig sind, ist, dass die Gewalt ­gegen Frauen nicht aufhören darf, wenn die Gewalt gegen Frauen endlich aufhören soll. Das bedarf einer Erklärung. Projektivität und Opfermentalität sind genau die Dinge, die auch die ultramaskulinen Banden der nordafrikanischen Krisengesellschaften antreiben. Sie empfinden sich als die absoluten Verlierer, die sie ja sind, während alles um sie herum ihnen signalisiert, dass ihnen als Männern zumindest der Thron über Familie und Ehefrau zustünde. Um ihr Recht betrogen, suchen sie nach Schuldigen, an denen sie sich abarbeiten können. In Europa begegnen sie wie in ihren Herkunftsländern Frauen, die die Dreistigkeit besitzen, ihren Körper durch den öffentlichen Raum zu tragen, hier sogar noch unbedeckter als dort. 
Gemäß dem klassischen Männlichkeitsdilemma, das überlegene, autonome Geschlecht sein zu müssen, am Frauenkörper aber gleichzeitig die allergrößte Abhängigkeit im Zentrum der eigenen Omnipotenzphantasien zu empfinden, stellen Frauen mit dem Monopol über ihre Körper eine hinterlistige Verschwörung und eine Bedrohung dar. Diese lösen in den Männern Schwäche und Angst aus, sie hintertreiben das Versprechen der Männlichkeit. Wenn Frauen so als Schlüssel zur männlichen Identität fungieren, den es zu besitzen gilt, werden sie zum Spiegelbild der äußeren Lebensumstände, also deren männlichem Opferstatus. Dieser wiederum rechtfertigt alles, solange es sich nur gegen die vermeintlichen Täterinnen richtet. Der Wunsch nach einem Ende der Gewalt gegen Frauen eint in seiner patriarchalen Form – in der Frauen am Ende immer selbst an der Gewalt gegen sie schuld sein müssen – Täter und Befürworter des Polizeieinsatzes in Köln.
Wie die Kölner Polizei und ihr Präsident klargemacht haben, dass sie ganz bewusst racial profiling eingesetzt haben, ohne dass es racial profiling sein kann, ist bemerkenswert. Weil die Verbindung vom Schwarzkopf zu sexueller und sexualisierter Gewalt gegen als weiß imaginierte Frauen ja eine naturgegebene ist, sei der Einsatz, wie von vielen behauptet, nicht rassistisch, sondern »konsequent« gewesen. Das Gegenteil von rassistisch wäre aber »nicht­rassistisch«. Doch noch in den schrillsten Inkonsistenzen erkennt sich die Projektivität nicht als solche. Nur so kann behauptet werden, dass es kein racial profiling war, ohne darauf verzichten zu müssen, von racial profiling zu behaupten, dass es eben funktioniere. Nur so lassen sich Leute, die noch vor zwei Monaten die dummen Amerikaner wegen Trump ausgelacht haben, nicht vom Eingeständnis des Polizeipräsidenten irritieren, dass unter den »99 Prozent Nordafrikanern« letztendlich kaum Nordafrikaner waren.
Was aber »funktionieren« sollte, war die Ethnisierung eines sozialen Problems. Die Gewaltneigung nordafrikanischer Männer soll ja gar nicht bekämpft werden, denn dann ginge die Folie ­verloren, vor der man sich als Gegner von Gewalt gegen Frauen begreifen und über die man wiederum deren Zuspruch einfordern kann. Vielmehr ist es inhärenter Zweck der um den Frauenkörper veranstalteten Gewaltspiralen von Männergruppen, dass über gegenseitige Demütigung und Strafe das, worum es eigentlich geht – nämlich die Gewalt gegen Frauen –, gerade nicht thematisiert wird.
Kein Kessel der Welt wird jemanden nachdenklich über seine Sehnsüchte nach Unterwerfung des Frauenkörpers stimmen. Doch wenn die Deutschen Opfer der »Asylflut« geworden sind, dann sollen die Nordafrikaner wenigstens Opfer einer Polizeimaßnahme werden, die die Ohnmachtsgefühle an sie zurückgibt. Dass Ohnmacht die Identifizierung mit den anderen Ohnmächtigen und dann die Gewaltneigung verstärkt, ist das Geheimnis dieser Dynamik. Sie funktioniert wie der Kampf zweier Kinder, die an einer Puppe zerren und denen es egal ist, ob die Puppe dabei zerreißt: Es geht um sie nur, indem es nicht um sie geht.